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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 2
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
Nischenwand, hing ein Vogelbauer, in welchem ein Zeisig jetzt den Kopf unter
den linken Flügel geduckt lautlos auf seiner Stange saß.
Der Inhaber diese bescheidenen Quartiers stand in der Mitte des Gemachs vor
einem viereckigen, mit einem verblichenen Teppich bedeckten Tische, auf welchem
das mehrerwähnte Christbäumchen seine mit bunten Wachskerzchen
besteckten, mit Ketten aus Goldpapier umzirkelten, hie und da von einer
vergoldeten Nuss durchfunkelten Zweige ausbreitete. Es reichte so dich an die
niedere Zimmerdecke, dass die oberste Spitze ihre grünen Nadeln umbiegen
musste. Sein Herr aber hätte sich nicht auf den Zehen emporrecken
dürfen, ohne mit dem Scheitel den losen Kalk abzustoßen. Die stramme
Gestalt steckte in einem sauber gebürsteten Waffenrock, auf dessen linker
Brustseite neben etlichen Kriegsdenkmünzen das eiserne Kreuz befestigt
war. Auf den breiten Schultern saß ein massiver militärisch
frisierter Kopf, Schnurr- und Backenbart genau nach dem Vorbilde des alten
Kaiser Wilhelm zugestutzt und schon sichtbar angegraut, während das braune
Kopfhaar und die frische Gesichtsfarbe noch keine Spur frühzeitigen
Alterns zeigte. Er hatte die starken blonden Augenbrauen dicht zusammengezogen,
wie Jemand, der ein schweres Werk mit dem Aufgebot seiner ganzen Geisteskraft
zu verrichten hat, obwohl es nur galt, unten am Stamm des Bäumchens ein
handgroßes Pfefferkuchenherz mit einem Bindfaden zu befestigen. Seine
großen Hände waren freilich um so unbehilflicher, da an der Linken
die drei Mittelfinger fehlten. Ein breiter Streifen von schwarzem Leder
verdeckte die Lücke, oder lenkte vielmehr den Blick sofort darauf hin. Im
linken Mundwinkel hing dem eifrig Arbeitenden eine kurze Pfeife, die schon seit
mehreren Stunden nicht in Brand gesetzt worden war. Denn, Webern, hatte es
gesagt, während ich den Baum putzte, darf sie nicht brennen. `s ist, wie
wenn ich im Dienst hätte rauchen wollen. Alles mit Art.
Nun war der letzte Knoten geknüpft, der Künstler trat einen Schritt
zurück und betrachtete mit schwermütiger Zufriedenheit sein Werk.
Jetzt aber den Kaffee! sagte die Frau und stand auf. Da setz' ich Ihnen den
Stuhl an die Kommode, und dann trinken Sie, und hernach, wenn Sie wiederkommen
- Sie müssen wissen, ich bin heut Abend unten allein; mein Sohn der
Wilhelm, ist bei seiner Braut. Na, sie ist ja ein ordentliches Mädchen,
was auch Gemüt und Manierlichkeit hat, und die Eltern haben sie eigens zu
mir geschickt, ich sollt' doch auch den Heiligabend bei ihnen sein, sie
hätten so schöne Karpfen und Mohnpielen. Aber die alte Webern ist auf
einem Ohr taub, trotz ihrer Sechzig, und dass so ein Ziegeleibesitzer nicht
gerade unglücklich darüber ist, wenn die Mutter von seinem
künftigen Schwiegersohn, dem Ingenieur, ihre Feste nicht mitfeiert und er
sie vorstellen muss: Madame Weber, approbierte Hebamme - nicht wahr, Herr
Wachtmeister, um das zu merken muss man kein Sonntagskind sein. Aber sie essen
ja nicht. Die Weihnachtsstolle habe ich selbst gebacken - sie ist so schön
aufgegangen - kosten Sie bloß!
Frau Nachbarin, sagte der Mann, der vor der Kommodenecke saß und
tiefsinnig mit dem Löffel in dem braunen Trank herumruderte - es ist mir
nicht nach Stolle zu Mute. Vorm Jahr um die Zeit - ich muss immer denken -
Vom Denken wird man nicht warm, Herr Wachtmeister, und Essen und Trinken
hält Leib und Seele zusammen.
Wohl, wohl, Webern! Aber wissen sie, wie ich am vorigen Heiligabend auch so
hier saß - ich war erst vor vierzehn Tagen eingezogen, mein Kopf war noch
nicht recht wieder beisammen - dass ich den Abschied hatte nehmen müssen
nach dreißig Dienstjahren, das konnt' ich nicht hinunterwürgen - es
wahr ja mit Ehren, weil der Tollpatsch, der Gefreite, wie er mir seinen neuen
Revolver zeigen wollte, mir die drei Finger weggeknallt hatte, und Krüppel
kann unser Kaiser nicht brauchen - aber dennoch, so vom königlich
preußischen Wachtmeister zu `nem simplen Kassenboten bei der Bank
degradiert zu sein - `s gibt einem invaliden Soldaten `nen Riss, Webern, und
der war noch ganz frisch damals am ersten Heiligabend ohne die Rosel. Und sie
war erst drei Monate unterm Rasen, und ich wußt' mir ohne sie so wenig zu
helfen,
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