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Das
Heimchen am Herde
Erstes
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 15
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
"Ihr wisst ja," fuhr Tackleton fort, "dass sie Euch ohne Frage
liebt und ehrt und Euch gehorsam ist; und das ist für mich, der ich kein
sentimentaler Hasenfuß bin, schon genug. Aber glaubt Ihr denn wohl, dass
noch etwas mehr dahinter steckt?"
"Ich denke," wandte der Kärrner ein, - "ich würde
einen jeden zum Fenster hinauswerfen, der das Gegenteil davon behaupten
würde."
"Ganz recht," versetzte der andere und stimmte schon
ungewöhnlich lebhaft bei, - "ich bin überzeugt, Ihr würdet
das tun; natürlich. Ich möchte darauf schwören. Gute Nacht!
lasst Euch was angenehmes träumen."
Der gute Kärrner war unwillkürlich betroffen gemacht worden und
schaute unbehaglich und unruhig drein. Er musste es wider Willen auf seine
Weise zeigen.
"Gute Nacht, lieber Freund!" sagte Tackleton mitleidig; "ich
muss nun gehen; ich sehe schon, wir stecken in der Tat in den gleichen Schuhen.
Ihr wollt uns morgen Abend wohl nicht die Ehre schenken? Recht so!
Übermorgen seid ihr auf Besuch außer dem Hause, das weiß ich.
Ich will dort mit euch zusammentreffen und mein zukünftiges Weibchen
mitbringen. Es wird ihr gewiss gut tun. Habt ihr etwas dagegen? Ich danke euch
. . . Aber was war das?" -
Es war ein lauter Schrei, den des Kärrners Frau ausgestoßen hatte;
es war ein lauter, plötzlicher, gellender Schrei, der durchs ganze Zimmer
tönte wie eine gläserne Glocke. Sie war von ihrem Sitz aufgefahren
und stand wie von Schreck und Überraschung erstarrt. Der Fremde war
nämlich zum Feuer getreten, um sich zu wärmen, aber ganz still, und
stand jetzt unmittelbar hinter ihrem Stuhle.
"Dot!" rief der Kärrner, - "Mary! mein Herzchen, was hast
du denn?"
Im Augenblick drängten sich alle um ihn her. Kaleb, der auf der
Kuchenschachtel eingenickt gewesen war, ergriff, bevor er sich von dem Verlust
seiner Geistesgegenwart wieder einigermaßen erholt hatte, Miss
Döskopp beim Haare, entschuldigte sich aber den Augenblick darauf
angelegentlich.
"Mary!" rief der Kärrner, und schloss sie in die Arme, -
"bist du krank? Was ist dir? So sprich doch, mein Herzchen!" Statt
aller Antwort klatschte sie in die Hände und brach in ein lautes
krampfartiges Gelächter aus. Dann aber sank sie aus seiner Umarmung auf
den Fußboden, bedeckte das Gesicht mit der Schürze und weinte
bitterlich. So trieb sie's weiter: lachte jetzt und weinte dann wieder: dann
klagte sie über Kälte, und ließ sich von ihm zum Feuer
führen, vor dem sie sich wieder niedersetzte, wie zuvor. Der alte Mann
stand noch immer stumm und unbeweglich vor dem Herde.
"Es geht wieder besser, John," sagte sie; - "ich bin nun wieder
ganz wohl . . . ich hatte nur . . ."
John? was wollte sie denn von ihm? Erstand ja auf der andern Seite. Warum
wandte sie denn dem fremden Alten ihr freundliches Gesicht zu und wollte ihn
anreden? War sie nicht recht bei Sinnen?
"Es war nur ein plötzlicher Einfall, lieber John, eine Art Schrecken
- ein etwas, das mir plötzlich vor die Augen trat - ich weiß selbst
nicht, was es war, aber es ist jetzt vorbei, ganz vorbei!"
"Ich bin froh, dass es vorbei ist!" murmelte Tackleton, und schaute
sich mit seinem ausdrucksvollen Auge im ganzen Zimmer um . - "Ich
möchte wohl wissen, wo es geblieben ist und was es eigentlich war. Heda,
Kaleb! komm' hierher! wer ist der Bursche dort im grauen Haar?"
"Ich weiß wahrlich nicht, Sir!" versetzte Kaleb mit
geheimnisvollem Flüstern. - "Hab' ihn all mein' Lebtage zuvor noch
nicht gesehen. Eine köstliche Figur für einen Nussknacker - ein ganz
neues Muster. Er müsste köstlich aussehen mit einer beweglichen
Kinnlade, die bis in seine Weste hinunterginge!" "Behüte",
sagte Tackleton. - "Dazu ist er nicht hässlich genug!"
"Oder auch für ein Feuerzeug!" wandte Kaleb ein, der in tiefes
Sinnen verloren schien, - "ein allerliebstes Modell! Den Kopf zum
Abschrauben, um die Zündhölzchen hineinzutun; dann
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