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Das
Heimchen am Herde
Drittes
Gezirpe.
Weihnachtserzählung
von Charles Dickens - Seite 14
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
"In der Tat, ich höre einen Wagen!" rief sie fast atemlos; -
"er kommt immer näher! Jetzt ist er ganz nahe! und jetzt hört
ihr ihn draußen an der Gartentür anhalten! Und nun hört ihr
einen Schritt draußen vor der Türe - denselben Tritt wie gestern
Abend, nicht wahr, Beta? - Und nun . . . . "
Sie stieß einen lauten Schrei unbeschreiblichen Entzückens aus,
stürzte auf Kaleb zu und drückte ihm eben ihre Hände auf die
Augen, als ein junger Mann ins Zimmer hereintrat, seinen Hut in die Luft
schwang und mit einem gewaltigen Satze auf Dot zukam.
"Ist es vorbei?" rief Dot.
Der Ankömmling bejahte.
"Ist es glücklich vorübergegangen?"
"Ja."
"Erinnert Ihr Euch nicht mehr dieser Stimme, lieber Kaleb?" rief Dot;
- "habt Ihr sie nicht schon früher einmal gehört?" "O
ja!" meinte Kaleb zitternd, - "wenn mein Junge im goldenen
Südamerika noch am Leben wäre!"
"Er ist am Leben!" rief Dot, nahm ihre Hände von seinen Augen
und schlug sie vor Freude zusammen; - "seht ihn nur an! Seht wie er stark,
gesund und wohlbehalten vor Euch steht! Es ist Euer eigner lieber Sohn! Es ist
dein eigner teurer lebenskräftiger liebevoller Bruder, Berta!"
Gott segne das holde Geschöpf für ihr Entzücken! Alle Ehre
für ihre Tränen und ihr Gelächter, als die drei einander mit
ihren Armen umschlangen; Gott segne sie für die Herzlichkeit, womit sie
den sonnegebräunten Seemanne mit seinem langen Haar auf halbem Weg
entgegenkam und ihren rosigen, kleinen Mund nicht abwandte, sondern es
füglich geschehen ließ, dass er sie küsste und an sein
jubelndes Herz drückte!
Und Ehre sei auch dem Kuckkuck - und weshalb denn nicht? - das er gerade jetzt
aus dem Pförtchen des maurischen Palastes herausbrach wie ein Dieb und
zwölfmal über die versammelte Gesellschaft hinkrähte, als ob er
trunken vor Freude wäre! Der Kärrner, der eben eintrat, prallte
zurück, und das musste er auch vor Überraschung, dass er so lustige
Gesellschaft traf." Seht her, John!" rief Kaleb in jubelndem
Entzücken; - "da blickt her! Mein Sohn aus dem goldenen
Südamerika! Mein eigner lieber Sohn, den Ihr einst selbst zur Reise
ausgestattet und weggesandt habt - ihn, dem Ihr stets ein so treuer Freund
waret."
Der Kärrner trat vor und wollte seine Hand ergreifen; er bebte aber
zurück, als irgend ein Zug seines Gesichts die Erinnerung an den tauben
Mann im Karren in ihm erweckte, und rief:
"Edward! warst du es wirklich?"
"Nun erzähl ihm alles!" rief Dot; - "Erzähl ihm alles,
Edward, und schont mich nicht, denn nichts in der Welt soll mich je wieder
veranlassen, in seinen Augen einen Hehl zu haben." "Ja, ich war der
Mann", sagte Edward.
"Und du konntest dich verkleidet in das Haus deines alten Freundes
stehlen?" hub der Kärrner von neuem an, - "es gab einst einen
offenen, braven Jungen - wie viele Jahre sind's schon her Kaleb, dass wir ihn
für tot ausgeben hörten und es für erwiesen glaubten? - der das
nie getan haben würde!" "Ich hatte einst einen edelmütigen
Freund - ja er war mir mehr ein Vater als ein Freund!" versetzte Edward; -
"der niemals mich oder einen andern Menschen ungehört verurteilt
haben würde. Der waret Ihr, und darum bin ich überzeugt, Ihr werdet
mich auch jetzt anhören."
Der Kärrner warf einen verlegenen Blick auf Dot, die sich noch immer in
einiger Entfernung von ihm hielt und versetzte: "Allerdings! das finde ich
ganz in der Ordnung; ich werde Euch anhören!"
"Ihr müsst wissen, John," sagte Edward, - "dass ich zu der
Zeit, wo ich, fast noch ein Knabe, diesen Ort verließ, eine Liebschaft
hier hatte, und dass Mädchen meiner Wahl meine Liebe erwiderte. Das
Mädchen war damals noch ein gar junges Ding, das vielleicht (wie Ihr mir
entgegnen könntet) nicht einmal wusste, wie es um ihr Gemüt
beschaffen war. Aber ich kannte meinen Sinn und hegte eine innige Neigung zu
ihr."
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