|
|
Das
Heimchen am Herde
Drittes
Gezirpe.
Weihnachtserzählung
von Charles Dickens - Seite 18
Übersetzer: Richard Zoozmann
|
|
|
[
zurück zum
Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
Es war dies eine Glanzperiode in Tillys Leben, und ihre Allgegenwart der
Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Fünfundzwanzig Minuten nach zwei Uhr
war sie ein Stein des Anstoßes im Hausflur, mit dem Schlag halb drei ein
Fallstrick in der Küche, und fünfundzwanzig Minuten vor drei Uhr eine
Schlinge im Dachstübchen. Der Kopf des Wickelkindes war
gewissermaßen eine Art Probierstein für alle Arten animalischer,
vegetabilischer und mineralischer Stoffe, und es gab kein Gerät im ganzen
Hause, mit dem ihn nicht zu gewissen Zeiten Tilly Döskopp in die
nächste Berührung gebracht hätte.
Alsdann ward eine große Deputation zu Fuße ausgeschickt, um Mrs.
Fielding aufzusuchen, vor der trefflichen Dame Reu und Leid zu bezeigen und sie
im Notfall mit Gewalt hierher zu bringen, damit sie sich freue und vergebe.
In dem Augenblick freilich, wo die Deputation besagte Dame auffand, wollte sie
auf gar keine Vorschläge hören, sondern beklagte es nur
unzählige Male, dass sie diesen Tag habe erleben müssen, und konnte
nichts anderes sagen, als: "Nun tragt mich nur in mein Grab!" was
freilich höchst ungereimt klang, da sie weder tot noch sonst etwas
dergleichen war.
Nach einiger Zeit versank sie in einen Zustand fürchterlicher Ruhe und
bemerkte, sie habe schon damals, als sich jenes unglückliche
Zusammentreffen von Umständen im Indigohandel begeben, vorausgesehen, dass
sie ihr Leben lang mit jeder Art von Schmach und Kränkung zu kämpfen
haben werde; sie sei nun froh, dass dieser Fall eingetroffen und bitte nur, man
solle sich nicht ferner um sie bemühen - denn was sei sie auch! Du lieber
Gott, nur ein Nichts! ein Garnichts! - Man solle ganz vergessen, dass sie lebe,
und die eigensinnigen jungen Leute sollen ihren Lebensweg nur ohne sie gehen.
Aus dieser bitter sarkastischen Stimmung ging sie in eine sehr zornige
über, worin sie die merkwürdige Äußerung zum besten gab,
der Wurm krümme sich, wenn man auf ihn trete, und hernach schmolz sie in
eine sanfte Wehmut und meinte, wenn man sich ihr nur anvertraut hätte, sie
hätte gewiss manch guten Rat geben können! -
Die Deputation benützte diese Krisis in ihren Gefühlen, um die alte
Dame zu umarmen, und sie hatte bald darauf ihre Handschuhe an, um sich in einem
Zustande untadelhafter Vornehmheit nach John Peerybingles Hause auf den Weg zu
machen, wobei sie nicht vergaß, ein Päckchen in Papier mitzunehmen,
das eine Staatshaube - fast so steif und so hoch als eine Bischofsmütze -
enthielt.
Endlich sollten auch noch Dots Vater und Mutter in einem andern Wagen ankommen,
und blieben so lange über die anberaumte Zeit aus, dass man bereits
Befürchtungen hegte und häufig nach ihnen aus dem Fenster die
Straße hinabschaute. Mrs. Fielding sah jedes Mal in der falschen und
positiv unmöglichen Richtung nach ihnen hinaus und meinte, als man sie
darauf aufmerksam machte, es werde ihr doch wohl erlaubt sein, hinzuschauen,
wohin es ihr beliebe. Endlich kamen sie, ein kugelrundes Pärchen, das in
jener gemütlichen, behaglichen Weise daherfuhr, die nur der Familie Dot
eigen zu sein schien; und es war wunderbar anzusehen, wenn man Dot und ihre
Mutter nebeneinander stellte, wie aufs Haar ähnlich sie einander waren.
Alsdann musste Dots Mutter ihre Bekanntschaft mit Marias Mutter wieder erneuen,
und Marias Mutter steifte sich immer auf ihre vornehme Abkunft, während
Dots Mutter sich auf nichts steifte, als auf ihren rührigen kleinen
Fuß. Und der alte Dot - d.h. Dots Vater, ich vergaß, dass es nicht
sein rechter Name war, aber es tut nichts zur Sache! - nahm sich die Freiheit,
beim ersten Anblick der alten Dame die Hand zu drücken, und schien eine
Staatshaube für nichts anderes zu halten als für etwas Stärke
und Musselin und bekam gar keinen Respekt vor dem Indigohandel, sondern meinte,
da sei nicht mehr zu helfen; kurzum, er war nach Mrs. Fieldings Ansicht eine
recht gute Haut, aber sehr pöbelhaft, sehr gemein!
Für alles Geld der Welt hätte ich Dot - des Himmels Segen auf ihr
hübsches Gesicht! - nicht dabei vermissen mögen, wie sie die Honneurs
des Hauses in ihrem Hochzeitskleide machte, oder gar den guten Kärrner,
der so fröhlich und freudestrahlend am Tische saß. Oder gar den
|
|
|