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Das
Heimchen am Herde
Drittes
Gezirpe.
Weihnachtserzählung
von Charles Dickens - Seite 9
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
ihr keinen Kummer mehr bereiten. Ihr Vater und Mutter werden heute hier
herkommen - wir hatten uns vorgenommen, diesen Tag im Familienkreise zu feiern
- und sie sollen sie wieder mit sich nach Hause nehmen. Ich darf ihr dort und
überall vertrauen. Sie verlässt mich ohne Fehl, und ich bin
überzeugt, sie wird ihr ganzes Leben lang fleckenlos bleiben. Wenn ich
sterben sollte - vielleicht scheide ich, solange sie noch jung ist, denn ich
habe in wenigen Stunden meinen ganzen Lebensmut verloren - so soll sie inne
werden, dass ich ihr noch freundlich gedachte und sie bis zum letzten Atemzuge
liebte! Dies ist die Folge von dem, was Ihr mir gezeigt habt! Und damit ist
alles für mich vorbei!"
"O nein, John, es ist noch nicht vorbei!" rief Dot; - "sage ja
nicht, es sei schon vorbei! Nur jetzt noch nicht! Ich habe deine edlen Worte
angehört; ich konnte mich nicht davonschleichen und mir den Anschein
geben, als wüsste ich nicht, was mich so tief gerührt und zu so
innigem Danke bewogen hat! Sage ja nicht, es sei vorbei, als bis die Glocke
wieder geschlagen hat!" Sie war kurz nach Tackleton ins Zimmer getreten
und dageblieben; sie sah sich nicht nach Tackleton um, sondern hielt ihre Augen
fest auf ihren Gatten gerichtet, aber sie blieb in einiger Entfernung von ihm
stehen und legte einen möglichst weiten Zwischenraum zwischen sich und
ihn, und obwohl sie mit dem tiefsten Ernste sprach, trat sie doch selbst dann
nicht näher auf ihn zu. Wie verschieden war dies von ihrer früheren
Gewohnheit und Wesen!
"Keine Hand kann die Uhr verfertigen, die uns die entschwundenen Stunden
wieder schlagen soll, " sagte der Kärrner mit stillem,
wehmütigem Lächeln; "lasst es dabei bewenden, meine Liebe: es
wird das beste sein. Bald wird die Stunde schlagen, und es würde zu nichts
führen, wenn wir mehr davon sprächen. Ich würde mit gerne
Mühe geben, dir noch in einer schwereren Angelegenheit als diese
gefällig zu sein."
"Ich habe mich deutlich gegen Euch ausgesprochen", sagte der
Kärrner, als er ihn bis zur Tür begleitete.
"Ganz gewiss", gab Tackleton zur Antwort.
"Und Ihr werdet wohl auch nicht vergessen, was ich gesagt habe?"
fragte John.
"Gewiss nicht", versetzte Tackleton, dem eine andere Bemerkung auf
der Zunge brannte, um deretwillen er jedoch zuerst Vorkehrungen traf, sich in
seinen Wagen zu flüchten; - "je nun, da Ihr mich zwingt, diese
Bemerkung zu machen, muss ich Euch auch sagen: das Ganze kam mir so unerwartet,
dass ich es schon deshalb nicht vergessen werde!" "Um so besser
für uns beide!" versetzte der Kärrner; "Gott befohlen, ich
wünsche Euch viel Vergnügen!"
"Ich wollte, ich könnte es Euch auch wünschen!" sagte
Tackleton; - "da dies aber nicht der Fall ist, so danke ich Euch
schönstens. Unter uns gesagt, wie ich Euch, glaub' ich, schon vorhin
bemerkte - hoffe ich darum nichtsdestoweniger recht viel Freude in meinem
Ehestand zu erleben, weil Marie sich gar nicht zu sehr um mich bekümmert
hat, oder allzu liebreich gegen mich gewesen ist. Lebt wohl, lasst's Euch nicht
zu tief zu Herzen gehen!"
Der Kärrner blieb unter der Haustüre stehen und blickte ihm nach, bis
er in der Ferne kleiner geworden war, als die Bandschleifen und Blumen seines
Pferdes in der Nähe gewesen; dann ging er mit einem tiefen Seufzer, wie
ein Mann, aus dessen gebrochenem Herzen alle Ruhe entschwunden ist, unter ein
paar Ulmenbäumen in der Nähe auf und ab, und wollte nicht in sein
Haus zurückkehren, als bis der Hammer der Uhr aushob, um die nächste
Stunde zu schlagen.
Sein kleines Weibchen, das er allein zurückgelassen hatte, weinte jetzt
bitterlich; aber oft trocknete sie sich wieder ihre Augen und tröstete
sich mit dem Gedanken, wie gut und wie vortrefflich sein Herz sei; und einige
Male lachte sie mitten unterm Weinen so herzlich, so fröhlich und
unvermittelt auf, dass Tilly sich darüber ganz entsetzte.
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