|
|
Das
Heimchen am Herde
Zweites
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 13
Übersetzer: Richard Zoozmann
|
|
|
[
zurück zum
Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
war ihm nicht möglich, es sich behaglicher zu machen; je lustiger sein
künftige Braut in Dots Gesellschaft wurde, desto mehr verdross das ihn,
obwohl sie der alte Neidhammel ja eigens zu diesem Zweck hier hergebracht
hatte. Neidhammel? ja, das ist das rechte Wort für Tackleton, denn wenn
sie lachte, und er natürlich nicht einstimmen konnte, setzte er sich's
stets und fest in den Kopf, sie lache über ihn.
"Ach, Marie!" sagte Dot, - "du liebe Zeit, wie ändert sich
doch alles in der Welt! Es macht einen ordentlich wieder jung, von den lustigen
Tagen unserer Schulzeit zu plaudern!" "Oho," brummte Tackleton,
- "ich denke, Ihr seid jedenfalls noch nicht sonderlich alt!"
"Seht nur meinen guten, ernsten, gedankenvollen Mann dort an!" fuhr
Dot fort; - "er macht mich wenigstens um zwanzig Jahre älter, - nicht
wahr, John?"
"Um vierzig Jahre!" sagte John?"
"Um wie viel Jahre Ihr Marien älter macht, das kann ich wirklich
nicht erraten!" sagte Dot lachend zu Tackleton; - "aber das
weiß ich, dass sie an ihrem nächsten Geburtstag kaum weniger als
hundert Jahre zählen kann!"
"Hahaha!" lachte Tackleton, zwar so hohl wie eine Trommel, aber es
war doch gelacht; - auch schaute er ganz drein, als ob er dafür ohne
sonderliches Missbehagen Dot hätte den Hals umdrehen können.
"Du lieber Gott!" rief Dot, "wenn ich noch daran denke, was wir
uns in der Schule für Pläne von den Männern machten, die wir uns
aufsuchen wollten! Ich weiß gar nicht mehr, wie jung und wie hübsch
und wie lustig und wie zuvorkommend der meinige hätte sein sollen! . . .
Und nun gar der deinige, Marie! - Du lieber Gott, ich weiß nicht, ob ich
lachen oder weinen soll, wenn ich daran denke, was für törichte
Mädchen wir damals waren!"
Marie schien zu wissen, was sie darüber tun sollte; ihre Wange wurde auf
einmal purpurrot, und in ihrem Auge perlte eine Träne.
"Selbst die Personen - wirkliche lebendige junge Männer - suchte wir
uns zuweilen damals aus!" fuhr Dot fort; "wir hatten freilich keine
Ahnung davon, wie es noch mit uns gehen würde. Soviel weiß ich
gewiss, dass ich mit damals John nicht wählte! Ich dachte nicht an ihn.
Und wenn ich dir damals gesagt hätte, du solltest einmal Mr. Tackleton
heiraten, Marie, du hättest mir wahrscheinlich einen Klaps gegeben! Hab'
ich nicht recht, Marie?"
Obwohl Marie nicht ja sagte, so sagte sie gewiss auch nicht nein, nicht einmal
mit der leisesten Miene.
Tackleton lachte - er wieherte sogar, so laut war sein Gelächter. John
Peerybingle lachte ebenfalls, aber auf seine gewöhnliche, gutmütige
und bescheidene Weise, aber Tackletons Lachen gegenüber war das seinige
nur das Flüstern eines Gelächters.
"Es half Euch doch alles nichts, seht Ihr! Ihr konntet uns doch nicht
widerstehen!" rief Tackleton; - "da sind wir nun, wohl bestellt und
leibhaftig, und wo sind denn Eure jungen, lustigen Bräutigame
geblieben?"
"Einige davon sind tot!" versetzte Dot halblaut; - "und einige
davon sind vergessen. Einige davon, wenn sie in diesem Augenblick unter uns
treten könnten, würden nicht glauben, dass wir noch dieselben
Geschöpfe seien - sie würden ihren Augen und Ohren nicht trauen, noch
glauben, wir haben sie so vergessen können. - Nein, gewiss würden sie
kein Wort davon glauben."
"Warum nicht gar, Dot!" rief der Kärrner; - "schelmisches
Weibchen!"
Sie hatte mit solchem Ernste und Feuer gesprochen, dass sie allerdings einer
kleinen Abmahnung bedurfte. Ihres Gatten Tadel war äußerst zart,
denn er schlug sich nur ins Mittel, weil er glaubte, Tackleton müsse sich
hierüber ärgern, und weil er ihm dies in seiner Gutmütigkeit
ersparen wollte; allein der Wink ergab sich als sehr wirksam, denn Dot brach
plötzlich ab und äußerte kein Wörtchen mehr. Es lag sogar
noch in ihrem Stillschweigen eine ungewöhnliche Aufregung, die dem
schlauen Tackleton nicht entging, als er sie mit seinem einen Auge beobachtete;
er behielt es auch in gutem Gedächtnisse, wie man bald sehen wird.
|
|
|