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Das
Heimchen am Herde
Zweites
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 16
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
zuweilen habe ich freilich (besonders noch in meinen Kinderjahren) bei Nacht
bitterlich geweint und gebetet, bei dem Gedanken, eure Bilder, wenn sie aus
meinem Herzen zum Himmel steigen, könnten nicht die rechten Ebenbilder von
euch sein. Aber niemals habe ich derartige Empfindungen lange aufbewahrt; sie
sind an mir vorübergezogen und haben mich hernach ruhig und zufrieden
gelassen."
"Sie werden auch jetzt wieder verschwinden!" sagte Kaleb. "Ach
Väterchen, liebes, bestes Väterchen! habe Nachsicht mit mir und
vergib mir, wenn ich unrecht tue!" rief das blind Mädchen; -
"dies ist nicht der Kummer, der mich jetzt so niederdrückt!"
Ihr Vater konnte unmöglich den freien Lauf seiner Tränen verbergen,
als sie so ernst und so rührend zu ihm sprach; allein noch immer verstand
er sie nicht.
"Bring' sie zu mir her !" rief Berta. "Ich kann es nicht bei mir
behalten und in meinem Busen zurückdrängen; ich bitte dich
Väterchen, bring' sie zu mir her!"
Sie merkte, dass er zögerte, und sagte: "Bring' Marie, bring' sie zu
mir her!"
Marie hörte ihren Namen nennen, trat auf das blinde Mädchen herzu und
tippte sie auf den Arm. Die Blind wandte sich hastig um und erfasste sie mit
beiden Händen.
"Blicken Sie mir ins Gesicht, liebes, gutes Herzchen!" sagte Berta zu
ihr; - "lesen Sie es selbst mit Ihren schönen Augen und sagen Sie
mir, ob nicht die Wahrheit darauf geschrieben steht!" "Ei freilich,
liebe Berta!" versetzte das Mädchen.
Die Blinde, über deren augenloses Antlitz noch immer dicke Tränen
herabrannen, erhob jetzt den Kopf gen Himmel und redete sie
folgendermaßen an:
"Es lebt kein Wunsch oder Gedanke in meiner Seele, der nicht Ihr Wohl
beträfe, schöne Maria! Es ist keine dankbare Erinnerung in meinem
Gemüte stärker als der Gedanke an die manchen lieben Male, wo Sie, in
der vollen Blüte der Schönheit und der Sehkraft, der armen blinden
Berta freundlich begegneten, selbst als wir noch Kinder waren, oder als die
arme Berta noch so kindisch war, wie sie es bei ihrer Blindheit nur sein
konnte! - Aller Segen des Himmels komme auf Ihr Haupt! Alles Licht auf Ihre
fernere glückliche Laufbahn! Wenn mir gleichwohl, meine gute Maria!"
setzte sie hinzu, und zog das Mädchen in festerer Umarmung an sich, -
"wenn mir gleichwohl, mein gutes Mädchen, heute der Gedanke, dass sie
seine Gattin werden sollen, beinahe das Herz abgedrückt hat! - Vater,
Mariechen, Marie! Ach vergebt mir, dass es so ist, um alles dessen willen,
womit er die Langeweile und Öde meines dunklen Lebens aufzuhellen und zu
trösten bemüht war und um des Zutrauens willen, das ihr in mich setzt
- vergebt mir, wenn ich den Himmel zum Zeugen aufrufe, dass ich ihm keine Frau
wünschen könnte, die seines guten Herzens würdiger
wäre."
Mit diesen Worten hatte sie Marie Fieldings Hände losgelassen, ihre
Kleider erfasst, und eine Stellung angenommen, die zugleich Flehen und Liebe
ausdrückte; während sie aber dieses seltsame Bekenntnis ablegte, sank
sie immer tiefer herab, bis sie am Ende zu den Füßen ihrer Freundin
auf den Knien lag und ihr blindes Gesicht in den Falten ihrer Kleider verbarg.
"Allmächtiger Gott!" rief ihr Vater, dem sich nun mit einem Male
die ganze Wahrheit kundtat, - "habe ich sie von Kindheit auf betrogen, um
ihr damit am Ende gar noch das Herz zu brechen?"
Es war für sie alle ein glücklicher Zufall, dass Dot, das muntere,
rührige, gescheite, hübsche Weibchen - denn das war sie bei allen
ihren Fehlern, und wiewohl ihr sie bald noch recht hassen lernen werdet - es
war für sie alle ein glücklicher Zufall, sage ich, dass Dot hier war,
sonst mag kein Mensch wissen, wie das noch geendet hätte. Allein Dot, die
plötzlich ihre Geistesgegenwart wiedergewonnen hatte, schlug sich ins
Mittel, ehe Marie noch antworten oder Kaleb ein Wörtchen mehr
äußern konnte. "Komm, meine liebe Berta! Komm mit mir! Gib ihr
den Arm. Marie. So, seht nur, wie ruhig sie schon wieder ist, und wie lieb sie
ist, dass sie auch wieder an uns denkt!" rief das heitere junge Weibchen
und küsste die Blinde auf die Stirn; - "komm mit uns, liebe Berta!
Komm! Dein lieber Vater hier muss auch mit uns kommen; nicht wahr Kaleb? Ei
natürlich!" Ja, ja, Dot war in solchen Sachen ein ganz
verführerisches Wesen, und es hätte eine recht verstockte Natur dazu
gehört, um ihrem
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