|
|
Das
Heimchen am Herde
Zweites
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 17
Übersetzer: Richard Zoozmann
|
|
|
[
zurück zum
Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
Einflusse zu widerstehen. Als sie den armen Kaleb und seine Tochter beiseite
gebracht hatte, damit sie sich beide trösten und beruhigen möchten,
wie sie es allein verstanden, kam sie sogleich wieder zurückgesprungen -
um bei dem misstrauischen, alten Frauenzimmer in der Haube und den Handschuhen
gewissermaßen Schildwache zu stehen und die kuriose, alte Haut von
möglichen Entdeckungen abzuhalten.
"Nun bring' mir einmal das liebe Kindchen hierher, Tilly!" rief sie
jetzt und zog sich einen Stuhl vor den Kamin; - "und während ich es
hier in meinem Schoße wiege, Tilly, wird mich die liebe Mrs. Fielding
hier in der Behandlung und Pflege kleiner Kinder unterrichten, und mir in
zwanzigerlei Punkten, über die ich ganz und gar nicht mit mir im reinen
bin, die nötige Zurechtweisung erteilen. Darf ich Sie darum bitten, Mrs.
Fielding?"
Ihr hättet sehen sollen, wie bereitwillig und arglos die eitle alte Dame
in diese Falle ging, so schlimm sie auch in diesem Augenblicke gelaunt war. Der
Umstand, dass sich Tackleton entfernt hatte, sowie, dass ein paar Personen in
einiger Entfernung von ihr eine Weile plauderten, ohne sich weiter um sie zu
kümmern, hatte hingereicht, ihr Zartgefühl und ihren Ehrgeiz zu
verletzen, und sie für einen ganzen Tag an das Fehlschlagen jener geheimen
Spekulation im Indigohandel zu erinnern.
Allein diese demütige Ansprache an ihre Erfahrung von Seiten der jungen
Mutter war jetzt so unwiderstehlich, dass sie nach kurzem Demutsheucheln mit
der größten Bereitwilligkeit ihren Vortrag begann und , stocksteif
der verschmitzten Schelmin gegenübersitzend, in einer halben Stunde mehr
untrügliche Hausmittelchen und Verhaltensmaßregeln für
Mütter und Kinder zum besten gab, als im Falle der Anwendung hingereicht
haben würde, einen jungen Simson, geschweige denn einen jungen Peerybingle
umzubringen.
Um einige Abwechslung in die Unterhaltung zu bringen, nähte Dot ein wenig
- sie trug immer den Inhalt eines ganzen Arbeitstischchens in der Tasche, aber
Gott weiß, wie sie das anstellte; - dann hätschelte sie wieder den
Kleinen, dann gab's wieder zu nähen; dann hatte sie wieder etwas mit
Marien zu wispern, während die alte Dame schlief, und so ging es fort in
allerhand kleinen Geschäften, bis der ganze Nachmittag um war, der ihr gar
nicht langweilig wurde. Als es endlich dunkelte, macht sie (da es ein
ausdrücklicher Paragraph in den Statuten der Picknickpartie war, dass Dot
an diesem Tage der armen Berta alle Wirtschaftsgeschäfte abnehme) das
Feuer wieder an, scheuerte den Herd, setzte das Teebrett heraus, zog die
Vorhänge des Fensters zu und steckte eine Kerze an.
Hierauf spielte sie ein paar Weisen auf einer kunstlosen Harfe, die Kaleb
für die arme Berta verfertigt hatte, und spielte sie recht hübsch,
denn die gütige Natur hatte ihr ein ausgezeichnetes Gehör für
Musik gegeben, einen köstlichen Schatz für ein Ohr, der die reichen
Juwelen vollauf ersetzten, die andere, minder begabte Damen der höhern
Stände dort tragen. Unter derartigen Geschäften kam denn
allmählich die anberaumte Zeit für den Tee heran, und Tackleton fand
sich wieder zur Gesellschaft ein, um an dem Mahle teilzunehmen, und den Abend
im Kreise unserer Bekannten zuzubringen.
Kaleb und Berta waren schon etwas früher ins Zimmer zurückgekehrt,
und Kaleb hatte sich zu seinem gewohnten Tagewerk gesetzt; allein er konnte
nicht damit zustande kommen, der arme Mann, weil ihn Sorge für seine
Tochter und Reue über die Täuschung quälten, die er sich mit ihr
erlaubt hatte. Es war gar rührend anzusehen, wie er hier müßig
auf seinem Werkstuhle saß und ihr so besorgt und forschend ins Angesicht
blickte, und sich immer im stillen den Vorwurf vorhielt: "So hab' ich sie
also von Jugend auf täuschen und hintergehen müssen, um ihr endlich
damit das Herz zu brechen."
Als es Nacht und das Teetrinken vorüber und Dot auch mit dem Auswaschen
der Tassen und Schüsseln längst zustande gekommen war - mit einem
Worte, als die Zeit herannahte, wo man bei jenem fernen Räderrollen die
Rückkehr des Fuhrmanns erwarten musste, änderte sich ihr Betragen
abermals; sie wechselte mehrmals die Farbe und wurde sehr unruhig, aber nicht
so, wie gute Frauen es gewöhnlich sind, wenn sie auf ihre Männer
warten - o nein, es war eine ganz andere Art von Unruhe!
|
|
|