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Das
Heimchen am Herde
Zweites
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 9
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
"Da kommst du mir schön an, Frauchen," versetzte der
Kärrner, "wenn du mir wieder vom Umkehren sprichst, nachdem du mich
schon eine ganze Viertelstunde über die Zeit aufgehalten hast!"
Dieser freundliche Zuspruch war an den Gaul gerichtet, der aber gar keine Notiz
davon nahm.
"Bitte John! sage du doch Hü!" rief das Frauchen; - "das
Tier versteht mich noch nicht!"
"Es wird Zeit genug dazu sein," meinte John, "wenn ich erst
einmal anfange etwas zu vergessen. Der Korb ist wohl aufgehoben hier im
Wagen."
"Ei, ei, was für ein hartherziger Unmensch bist du doch gewesen,
John, dass du mir das nicht sogleich gesagt und mir den großen Schreck
erspart hast!" rief Dot, - "ich sage dir, John, ich möchte um
alles Geld in der Welt nicht ohne die Fleischpastete u.s.w. und die
Bierflaschen zu der armen Berta gehen. Schon seit unserer Verheiratung, John,
haben wir regelmäßig alle vierzehn Tage unsern kleinen Picknick dort
gehalten. Wenn mir irgend einmal etwas dabei passieren sollte, könnte ich
mein Lebtage nicht wieder mit mir zufrieden sein, und würde glauben, wir
hätten gar kein Glück mehr!"
"Es war von vornherein ein guter Gedanke von dir," sagte der
Kärrner, "und ich habe dafür um so mehr Respekt vor dir, liebes
Weibchen!"
"Lieber John, rede doch nicht von Respekt!" sagte Dot und war wie mit
Purpur übergossen; - "Du lieber Gott!" "Beiläufig
bemerkt, sagte der Kärrner, "jener alte Herr . . . "
Woher kam es wohl, dass Dot abermals so sichtlich und so plötzlich in
Verlegenheit kam?
"Der alte Herr ist ein kurioser Kauz!" sagte der Kärrner und
blickte stier vor sich hin die Straße entlang; - "ich kann gar nicht
aus ihm klug werden. Ich glaube aber nicht, dass etwas Unrechtes an ihm
ist!"
"O gewiss nicht," meinte dot; "ich bin fest überzeugt, dass
er ein ganz harmloser Mensch ist!!
"So?" sagte der Kärrner, und der ernsthafte Ton ihrer Stimme zog
seinen blick unwillkürlich auf ihr Gesicht; - "es ist mir sehr lieb,
dass du davon so überzeugt bist, weil es gewissermaßen zur
Bestätigung für mich dient. Es ist doch sonderbar, dass er sich's
gerade in den Kopf gesetzt hat, uns um ein Obdach zu bitten und bei uns wohnen
zu wollen, nicht wahr? Es passieren doch seltsame Dinge!"
"Sehr seltsame", setzte sie leise hinzu, so leise, dass man es kaum
hörte.
"Er ist übrigens ein sehr gutmütiger alter Herr!" sagte
John, - "er bezahlt wie ein Ehrenmann, und wir können uns auch auf
sein Wort verlassen, wie auf das eines Ehrenmannes. Ich hatte heut früh
schon eine lange Unterredung mit ihm. Er versteht mich jetzt besser als
früher, sagte er mir, weil er sich mehr an meine Stimme gewöhnt hat;
er erzählte mir viel von seinem eignen Leben, und ich gab ihm einiges aus
dem meinigen zum besten, und er stellte eine ganze Masse Fragen an mich. Ich
gab ihm darüber Auskunft, wie ich in meinem Geschäfte eigentlich zwei
Straßen zugleich befahre, nämlich den einen Tag rechts von unserem
Hause weg und wieder zurück, den andern nach der Linken hin und wieder
zurück (denn er ist hier fremd und kennt die Namen der Orte in unserer
Gegend noch nicht), und das schien ihn sehr zu freuen. - "Aha," sagte
er, "dann werde ich heute Abend bei der Heimkehr den Weg einschlagen, den
Ihr macht, während ich zuvor glaubte, Ihr kämet aus einer ganz
entgegengesetzten Richtung; ei das trifft sich ja allerliebst, da lass ich mich
noch einmal in Euerm Wagen fahren, verspreche Euch aber, nicht wieder so tief
einzuschlafen! . . . Ei Dot, warum so gedankenvoll, was geht denn dir durch
dein Köpfchen?"
"Woran ich denke, John?" fragte Dot lächelnd, "je nun, ich
. . . ich hörte dir zu!"
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