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Das Heimchen am Herde

Zweites Gezirpe.

Weihnachtserzählungen von Charles Dickens (1812 bis 1870)
Übersetzer: Richard Zoozmann (1863 bis 1934)

Kaleb Plummer und seine blinde Tochter wohnten mutterseelenallein in ihrem Hause, wie es in den alten Märchenbüchern heißt - und mein Segen und hoffentlich auch der eurige, meine Leser, komme über die Märchenbücher, weil sie überhaupt noch etwas sagen in unserer nüchternen, geldjagenden, arbeitstollen Werktagswelt!
Kaleb Plummer und seine blinde Tochter wohnten mutterseelenallein in ihrem Hause, in einer kleinen, zerbrochenen, uralten Nussschale von hölzerner Hütte, die in der Tat nichts anderes war als ein Pickelchen auf der roten, vorspringenden Backsteinnase von Gruff und Tackleton. Die verschiedenen Baulichkeiten des Hauses Gruff und Tackleton waren nämlich die Hauptzierde der Straße; aber Kaleb Plummer bescheidenes Häuschen hätte man mit ein paar Hammerschlägen niederreißen und die Trümmer davon auf einem Karren wegführen können. Wenn irgend jemand Kaleb Plummers Hause die Ehre angetan haben würde, es nach einer solchen Einreißung zu vermissen, so hätte er's wahrscheinlich nur in der Absicht getan, der Zerstörung des Häuschens als einer wesentlichen Verbesserung zu erwähnen. Es klebte an den Gebäulichkeiten von Gruff und Tackleton, wie eine Bohrmuschel an einem Schiffskiel, oder wie eine Schnecke an einer Haustüre oder wie ein kleines Häufchen Pilze an einem Baumstamm. Gleichwohl aber war das Häuschen das Samenkorn, aus dem der majestätische Baum von Gruff und Tackleton entsprossen war; und unter seinem gebrechlichen Dache hatte Gruffs Großvater im kleinsten Maßstabe begonnen, Spielzeug für eine Generation alter Knaben und Mädchen anzufertigen, die damit gespielt, ihren Sinn erraten und sie zerbrochen hatten und dann schlafen gegangen waren.
Ich sagte, Kaleb und seine arme blinde Tochter haben hier gewohnt; aber ich hätte eigentlich sagen sollen, Kaleb allein wohnte hier und seine Tochter an jedem andern beliebigen Orte - in einem verzauberten Hause von Kalebs eigener Schöpfung, wo Dürftigkeit und Mangel nicht walteten, und Kummer niemals die Schwelle überschritt. Kaleb war aber kein Zauberer als in der einzigen magischen Kunst, die uns noch geblieben ist - in der Zauberkunst ewiger hingebungsvoller Liebe. Die Natur hatte ihn selbst diese Kunst gelehrt - sie, aus deren Unterricht alle Wunder entspringen!
Das blinde Mädchen hatte nie erfahren, dass die Decke entfärbt, die Wände von der Feuchtigkeit befleckt und an manchen Stellen ihres Mörtelbewurfs entblößt waren - dass sich mächtige Risse gebildet hatten, die sich jeden Tag erweiterten - dass Balken moderten und herabzustürzen drohten. Das blinde Mädchen hatte nie erfahren, dass Eisen rostete, Holz vermoderte, Tapeten sich abschälten - dass selbst die Größe und Gestalt und die eigentlichen Verhältnisse ihrer Wohnung allmählich zusammenschrumpften. Das arme blinde Mädchen hatte nie erfahren, dass formlose Geräte von Ton und Irdenware auf dem Brette stand, dass Kummer und Entmutigung in dem Hause wohnten, dass Kaleb spärliche Haare unter ihren erblindeten Augen von Tag zu Tag mehr erbleichten. Das blinde Mädchen wusste nicht, dass ihr Brotherr ein kalter, geiziger und teilnahmsloser Mensch war - mit einem Wort, sie wusste nicht, dass Tackleton nur Tackleton war. Sie lebte vielmehr in dem Glauben, es sei ein wunderlicher, launiger Sonderling, der gerne Spaß mit ihnen treibe, und während er der Schutzgeist ihres Lebens sei, jedes Wort des Dankes von ihrer Seite voll Entrüstung abweise.
Und das alles war Kalebs Werk. Das alles bewirkte ihr einfacher Vater! Aber auch er hatte ein Heimchen auf seinem Herde, und so oft er in früheren Jahren, da das mutterlose, blinde Kind noch sehr jung war, trüben Mutes seinem Gesange lauschte, trat jener Schutzgeist zu ihm und gab ihm den Gedanken ein, dass sich selbst der Tochter großes Gebrechen für ihn gewissermaßen noch in Segen verwandle, weil es ihn in den Stand setze, das gute Mädchen mit so geringen Mitteln glücklich zu machen. Das ganze Heimchengeschlecht nämlich besteht aus mächtigen Geistern, - obwohl es selbst die Leute, die Freundschaft mit ihnen pflegen, nicht wissen, was sehr häufig der Fall ist; - und es gibt in der unsichtbaren Welt keine





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