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Am See und im Schnee

I. Am See.

Weihnachtsgeschichte von Heinrich Seidel - Seite 9

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Köpfchen gefahren, und als sie nun ein wenig rosig angeblümt mit gesenkten Augenliedern dastand und die Schleppe ihres Kleides von den eingedrungenen spitzen Haken des Dornbusches befreite, da ward es ihr zur Gewissheit, was sie dachte. Er hatte "man bloß" gesagt. Er hatte bei seinen Dienstleistungen den linken Arm, der mit dem Daumen in den zugeknöpften Rock eingehakt war, gar nicht benutzt, sondern das Messer sehr geschickt ausschließlich mit der Rechten geöffnet. Und wie gut und hübsch und heldenhaft er aussah, trotz der Sommersprossen, die sich über seinen Nasenrücken zogen! Sie hatte nun den Dornbusch aus den Falten ihres Kleides gelöst und warf ihn achtlos beiseite, denn sie wusste ja noch nicht, dass ihr Geschick an diesem grünen Zweige hing. Dann hob sie das Haupt und sah freimütig den Jäger an: "Sie sind Herr Fritz Dieterling!" sagte sie.
"Und Sie Fräulein Helene Maifeld," war seine Antwort.
"Ich danke ihnen," fuhr sie fort und hielt ihm die Hand hin. Der junge Mann drückte diese sanft und sagte: "O, es hat mit viel Vergnügen gemacht." - Hella lächelte unwillkürlich und flüchtig. "Wie lange haben wir uns nicht gesehen!" sagte sie dann. -"An diesem See war es zuletzt," erwiderte Fritz, "ich dachte eben daran, als ich dort unten entlang ging." - "Wie seltsam," sagte Hella, "das liegt wohl in der Luft, mit ging es vorhin gerade so." Dann seufzte sie ganz leicht, denn es ging ihr durch den Sinn, wie sich die Zeiten so böse verändert hatten. "Damals waren schöne Tage!" sagte sie. - "Die gibt es heute auch noch," sprach Fritz rasch, und Hella schlug die Augen nieder vor seinem Blick. Dann wandte sie wie suchend und ungewiss den Kopf nach der Richtung, aus der sie gekommen war. "Rustan wartet," sagte sie dann, und wandte sich zum Gehen. - "Wie, Rustan lebt auch noch?" fragte Fritz rasch, "der muss doch schon uralt sein."
"Es ist sein Nachfolger," sagte Hella, "er ist am Vogelsang angebunden und wartet auf mich." Damit machte sie eine vornehme kleine Verbeugung und wollte davon, aber Fritz war alsbald an ihrer Seite. "Sie könnten sich verirren," sagte er, "oder noch einmal . . ."hier schwenkte er seinen Stock über die Dornbüsche hin . . . "wenn es auch nur der Seebruch ist, es ist biesteriges Holz." - Sie schritten eine Weile schweigend nebeneinander hin durch den herbstlichen Wald, ein frühlingsfrisches, junges und blühendes Paar. Sie schienen füreinander bestimmt zu sein, und doch hatte menschliche Torheit eine starre Mauer von Hass und Vorurteil zwischen ihnen errichtet. Aber holde Wünsche und zartes Sehnen sind leichte Schmetterlinge, die solche Mauer gar leicht überfliegen. Dann sprachen sie allerlei von der Zeit ihrer Kindheit, harmlose Dinge von Pflaumen -und Apfelbäumen, Lieblingstieren und allerlei gemeinsamen kleineren Erlebnissen. Es war, als flüchteten sie sich aus der so hässlich veränderten Gegenwart in jene freundlichen Tage. Dabei gelangten sie an eine Lichtung, die eine kleine Fichtenschonung enthielt im Alter von etwa zehn Jahren. "Hier war es mit der Kreuzotter," sagte Fritz plötzlich.
Hella nahm fast ängstlich ihre Kleider zusammen, so dass Fritz lächelnd bemerkte: "So`n Viehzeug gibt`s hier gar nicht mehr, ich glaube, das war damals die letzte ihres Stammes." Aber Hella ging doch ein wenig schneller, und während ihre Blicke über die dunkelgrünen Fichten schweiften, sagte sie: "Alles hat sich verändert seit jener Zeit, das eine ist verfallen, das andere verwachsen."
"Aber wir sind doch die alten geblieben," sprach Fritz schnell. Ein ganz zartes Rot stieg in ihre Wangen, sie sah gerade vor sich hin, nickte fast unmerklich, und indem sie ebenmäßig weiter schritt, sagte sie leise: "Ich glaube wohl."
Fritz hielt ihr in plötzlicher Aufwallung die Hand hin, sie ergriff dieselbe ohne Zögern, und nun sahen sich die beiden eine Weile treuherzig in die Augen. "Alles soll wieder gut werden!" rief er dann. "Ja, ja!" war ihre Antwort. Sie wussten beide, was sie meinten, obwohl keiner es aussprach.
Dann erreichten sie den Vogelsang, viel zu früh, wie beide heimlich dachten. Sie standen eine Weile unter der alten Eiche und sahen schweigend in den glänzenden Herbsttag hinaus, auf die schimmernden Sommerfäden in der Luft, auf die beackerten Felder, wo hie und da eine
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Am See und im Schnee:
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Weihnachtsgeschichte: Am See und im Schnee - Am See.


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