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Das
Christkindlein
Weihnachtsgeschichte
von Karl Heinrich Caspari - Seite 4
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fasst sich`s wieder und spricht: Ich bin der Andres! Warum ich so weine, das
weiß ich, wem ich aber zustehe und wohin ich gehe, - das weiß ich
nicht. Heute ist`s gerade ein Jahr, da hat mich der Pfarrer da drunten in sein
Haus aufgenommen als ein armes Bettelkind. In der vorigen Woche ist er
gestorben, und heute bin ich wieder ein Bettelkind. Die Bissen sind schmal
geworden im Pfarrhaus, die Frau hat selbst Kinder genug und kann mich nicht
mehr behalten, - so bin ich heute fortgegangen. Es ist mir wehe geschehen und
ihnen auch, als sie mir das Bündlein schnürten, - aber es konnte
nicht anders sein, und nun geht mein Weg in die weite Welt. Seht, darum
möchte ich mir die Augen aus dem Kopf weinen!
So, so, sagte der Vetter, der verstorbene Pfarrer hat dich angenommen gehabt,
und bist bei ihm gewesen ein ganzes Jahr?
Ja, der verstorbene Pfarrer! - Und hat mich gar so lieb gehabt, und wenn die
andern mich das Bettelkind heißen wollten, hat er mich sein
Christkindlein genannt, weil mich der liebe Heiland ihm am Abend vor Christtag
beschert hat. Jetzt ist das aber alles aus.
Das Büblein wischte wieder die Augen und wollte weiter, - der Vetter hatte
sich auf seinen Stab gestützt und sah vor sich hin und sagte wie in
Gedanken: Hm, hm!
Unten im Dorf schlug`s vier Uhr, und eben begannen sie das Fest
einzuläuten. Die große Glocke schlug an mit ihrem tiefen Ton, und
dem Vetter war es, als ob jeder der schweren Schläge ihm ans Herz
schlüge, - er musste hinaufsehen auf den Gottesacker, und wieder wurden
ihm die Augen nass. Dann begann die mittlere Glocke und setzte das Geläute
fort mit helleren und rascheren Tönen, - des Vetters Auge fiel auf den
kleinen Andres, der bei dem Läuten den Hut abgezogen und die Hände
zusammengelegt hatte, zu beten, - der Vetter fing an, etwas zu merken! Und als
endlich die drei Glocken mit einander angezogen wurden, und ihr dreifacher
Klang so schön und harmonisch, so hehr und so ernst und doch auch so
lieblich und wohltuend heraufdrang, da war ihm ein Licht aufgegangen, - es kam
ihm vor, als stünde der alte Pfarrer da und schaute dem Büblein nach,
wie es in die weite Welt zog, und dann sei der Heiland auch da, dessen
Geburtsfest eingeläutet ward, und hielt das Büblein bei der Hand, ihm
einen Pflegevater suchen zu helfen, und spräche zu ihm, dem Vetter: Jetzt
sollst du es nehmen! Und dann schauten alle drei, der Heiland, der Pfarrer und
das Büblein ihn an, was er sagen werde. Ja oder Nein?
Geh wieder mit mir, Andres, hinunter ins Dorf, sagte er mit weicher Stimme. Der
Knabe sah ihn fragen an, als er aber wiederholte: Komm nur, komm mit,
ließ er`s sich nicht zweimal sagen, sondern ging hinter dem Vetter her,
als ob`s so sein müsste.
Im Pfarrhause bedurfte es nur weniger Worte, um den Vetter Weigand einen
herzlichen Willkomm zu bereiten, - bis dass das Licht in die Stube gebracht
wurde, und der Vetter sprach: Hier bring ich euch euer Christkindlein wieder!
Die kleinen Kinder zwar jubelten hell auf, aber die Pfarrerin sah ihn ernst und
unruhig an. - Ich weiß alles, sagte der Vetter, Ihr habt Euch euren
Gotteslohn an dem Knaben schon verdient, ich aber möchte`s auch, so will
ich für das Kind sorgen von nun an, und Geld und gute Worte nicht sparen,
dass der Vogel wieder sein Haus finde und die Schwalbe ihr Nest.
Da ging ein freundliches Lächeln über die trüben, kummervollen
Züge der Pfarrerin und sie sprach. Gott lohn`s Euch, Vetter! Das
Büblein ist uns sehr lieb geworden, und mein seliger Mann wird`s Euch im
Himmel danken: Er hat sich noch im Sterben gesorgt um seinetwillen!
Das ist das erste Zeichen, daran Ihr erkennet, wie an dem seligen Pfarrer der
Herr das Wort wahr machen will: Das Andenken der Gerechten bleibet im Segen!
Sagte der alte Präzeptor, der wohlmeinend auch zu diesem Christabend sich
eingefunden. Ihr werdet`s noch öfter erfahren, - auch an Euern eigenen
Kindern!
Er hatte recht! - Des Pfarrers hinterlassene Kinder wuchsen heran und gerieten
alle wohl, und wo sie eines Freundes bedurften, ward er gefunden, und wo Not
kam, stellte die Hilfe sich auch ein, und die Töchter wurden wackere
Frauen und die Söhne tüchtige Männer, und alle waren zu einer
ehrlichen Versorgung und zu einem guten Brote gekommen, ehe die Pfarrerin
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