|
|
Das
Geheimnis der Mischung
Weihnachtsgeschichte
von Ludwig Ganghofer - Seite 4
|
|
|
[
zurück zum
Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
stand sein Chef, Herr Seydelmann, eine stattliche Erscheinung von
bürgerlich-behäbigem Aussehen. "Guten Abend, lieber
Schaller!" "Sie - Herr Seydelmann - Sie kommen - zu mir?"
"Wie Sie sehen. Und - wissen Sie auch, was ich möchte?"
lächelte der alte Herr. "Ich möchte Sie fragen, wie Ihnen heute
Nachmittag der Kaffee geschmeckt hat."
Dem jungen Mann fielen die Lippen auseinander und mit zitterndem Arme tastete
er nach der nahen Mauer. Wie ein grauer Schleier kam's ihm vor die Augen, er
sah nichts mehr, er fühlte nur, wie ihm sein Chef die Hand auf die
Schulter legte, und hörte ihn mit leiser, ernster Stimme sagen: "Sie
haben ein Recht, lieber Schaller, diese Geschichte von heute Nachmittag eine
Beleidigung zu nennen; und ich komme auch, um Ihnen Abbitte zu leisten. Ich
hatte Vertrauen zu Ihnen - als Mensch. Aber ich bin auch Geschäftsmann und
als solcher muss ich mich von der Richtigkeit meiner Meinung überzeugen.
Der Herr, welcher Sie heute in das Kaffeehaus gerufen hat, ist mein Schwager
gewesen. Und weil er in meinem Auftrag handelte, müssen Sie auch das
Anerbieten, das er Ihnen machte, als von mir gemacht betrachten. Von Neujahr an
verdoppele ich Ihre Bezüge und biete Ihnen einen zehnjährigen Vertrag
mit steigendem Gehalte. Wenn Sie dann übermorgen wieder die Fabrik
besuchen, darf und will ich Ihnen auch das Geheimnis der richtigen Mischung
anvertrauen. Und jetzt bekommen Sie - jetzt will ich Ihre Frau und Ihre Kinder
kennen lernen!"
Da löste sich der Bann, der über den jungen Mann lag, und mit einem
von Tränen erstickten Aufschrei stürzte er seinem Chef voran in die
Stube. Ein süßer, harziger Duft quoll ihm entgegen. Ein Zweig des
Christbaums, auf welchem noch immer die Kerzen brannten, hatten Feuer gefangen.
|
|
|