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In
dem Schönen Hause in der Vorstadt, wo der reiche Kaufmann Soden wohnte, da
war's an diesem Abend nicht so dunkel, wie in der Stube der Wäscherin.
Aber still war's doch auch; man hörte nicht ungeduldige Kinder in
fröhlicher Erwartung herumtrippel, zusammen plaudern und hie und da an die
wunderbare Türe kommen, hinter der das Christkind seine Gaben bereitete, -
nichts von alle dem; es war nur Ein Kind in dem großen, schönen
Hause, die kleine Gabriele, und die war krank und machte nicht viel Lärm.
Das schönste Haus war eigentlich ein Sommerhaus; Herr Soden hatte es wegen
der kranken Gabriele gekauft, weil sie da zu ebener Erde wohnten und das Kind
keine Treppe steigen durfte, um in den Garten zu kommen. Der Kaufmann hatte
noch ein großes Haus in der innern Stadt, wo sein Geschäft war, und
sie wollten im Winter wieder dorthin ziehen. Aber Gabriele hatte so herzlich
gebeten, man solle doch in dem schönen Haus bleiben, wo an hellen Tagen
die Sonne so herrlich herein schien, dass die Mutter mit ihr dageblieben war,
der Vater war den Tag über in der Stadt und kam alle Abende heraus. Es war
ein kleiner Saal zu ebener Erde, prächtig erwärmt durch einen
großen Porzellanofen, mit weichen bunten Teppichen über den ganzen
Fußboden und schönen dichten Fensterbehängen; da rüstete
die Mutter alles, was sie dachte, dass ihr krankes Kind erfreuen könnte.
Die Puppenstube war neu eingerichtet, ein ganzer Kreis schön geputzter
kleiner Fräulein saß dort um den Teetisch, nur rutschten sie in
ihren steifen Kleidern immer wieder von den Sesseln herunter und waren schwer
fest zu halten; auch der Puppenpapa, der am Klavier sitzen sollte, streckte
etwas steif die Beine von sich und wollte nicht recht gut tun, dafür aber
war das Puppenzimmer mit allen kleinen Herrlichkeiten angefüllt, wie sie
im großen nur eine fürstliche Wohnung schmücken können.
Da hing auch ein blaues Samtmäntelchen, mit weißem Schwanenpelz
garniert, und ein Atlashütchen dazu, mit weißem Schleier, wenn
Gabriele einmal Schlitten fahren könnte; schöne Bilderbücher und
allerlei Spiele, mit denen ein Kind sich die Zeit vertreiben kann; die Eltern
wusste fast nichts Neues mehr: seit drei Jahren schon war die arme Gabriele
krank und man hatte alles Mögliche versucht, um dem leidenden Kinde Freude
zu machen.
Bleich und müde saß Gabriele drüben in ihrem Lehnstuhl, der
Vater neben ihr; er hatte das matte Köpfchen an seine Brust gelegt und sah
recht wehmütig in das blasse Gesichtchen. "Nun," sagte er so
heiter als ihm möglich war, "wir wollen sehen, was Mama drüben
mit dem Christkind fertig macht! wenn's dich nur auch freut, Gabrielchen; warum
hast du keinen Wunschzettel geschrieben? Hast du denn gar nichts gewusst, was
du dir wünschest?"
"Ich wünsche mir nur etwas Einziges und das kann man nicht auf den
Wunschzettel schreiben," sagte Gabriele weinerlich. "Nun sag' mir's
einmal!" bat der Vater; "es wird ja wohl zu bekommen sein; sag',
Kind, was ist's?"
"Ein Schwesterlein," sagte Gabriele kurz.
"Na, Kind," lachte der Vater, "das ist aber ein großer
Wunsch; aber Kinder zum Besuch will ich dir holen lassen, so viel du willst,
gleich morgen."
"Das will ich nicht," sagte das kranke Mädchen kläglich;
"da kommen sie und lärmen und spielen mit meinen Sachen und essen die
Rosinen und Mandeln aus meiner Küche und werfen meine Puppen durcheinander
und räumen nicht wieder auf, und mich lassen sie sitzen! Ich möchte
ein Schwesterlein allein für mich, das nett mit mir spielt und meine
Puppen anzieht und bei mit bleibt."
"Nun, vielleicht schickt uns der liebe Gott noch so ein Schwesterlein
zu," vertröstete sie der Vater, der dem kranken Kind nicht
widersprechen wollte; "aber hör' , die Mutter hat geklingelt, soll
ich dich hinüber tragen?"
"Ich kann selbst gehen, wenn du mich führst," sagte Gabriele und
lehnte sich auf den Arm des Vaters, der sie fest umschlang.
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