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Am See und im Schnee

II. Im Schnee.

Weihnachtsgeschichte von Heinrich Seidel ( 1842 bis 1906 )

Nach einem schönen Herbste kam ein frühzeitiger Winter, der schon im November die Seen mit Eis und die Felder mit Schnee bedeckte, und bis gegen Weihnachten nahm die Kälte immer noch zu. Zuweilen war dazwischen ein milderer, trüber Tag, der aber nur neuen Schnee brachte; und hatten die Flocken dann genug gestäubt und gewimmelt, so stieg eines Morgens die Sonne aus rotem Nebeldunst; es folgten wieder klare, kalte und blendende Tage, wo die unendliche Schneewüste ringsum nur belebt war durch vereinzelte hungrige Krähen oder hie und da durch einen Schlitten, der einsam durch die Landschaft klingelte.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht vorher hatte es bei stiller Luft geschneit, und überall lag lose und wollig der frische Schnee, bog in dicken Ballen die Äste der Fichten, saß nesterweise in dem feinverzweigten Buschwerk, zeichnete schimmernd die dunklen Linien der Äste nach und hielt jedes welke Blatt mit einem kleinen weißen Polster bedeckt.
Der Schlitten des Herrn Dieterling klingelte munter in unberührtem Schnee durch den Seebruch. Zwischen den Stämmen des eingeschneiten Waldes lag ein zartvioletter Dämmer, und seltsam hob sich das schwere Dunkelgrau des gleichmäßig bewölkten Himmels gegen den weißen Silberschimmer der Erde ab. Es fitzelte ein wenig, wie man dort zu Lande sagt, aber es war kaum festzustellen, ob dieser feine, leichte Schneestaub aus den Wolken kam oder durch einen leisen Luftzug von den Bäumen geweht wurde. Krischan, der brave Kutscher, räusperte sich ein wenig auf seinem Vordersitz, deutete dann mit der Peitsche auf den tiefgrauen Himmelsausschnitt am Ende der langen Schneise, in der sie fuhren, und sagte mit einer halben Wendung rückwärts zu seinem Herrn: "Dor sitt noch väl Snei inne Luft, Herr." "Lat`n sitten," antwortete dieser behaglich aus dem hochaufgeschlagenen Kragen seines Pelzes heraus. Krischan grinste ein wenig, halb respektvoll, halb ungläubig: "Ja, dei," sagte er dann, "dei ward nich lang mihr täuben. Un Wind kümmt ok. Oll Großvadder Römpagel hett hüt morn seggt, hei sitt em all in die Knaken. Un wenn dei Oll dat seggt, denn hett dat noch ümmer stimmt, bäter as`n Premeter. Ja, ja."
"Lat`n susen," antwortete hierauf Herr Dieterling, der gesonnen schien, sich auf nichts einzulassen, sondern alles der historischen Entwicklung zu überlassen. Krischan aber fuhr unbeirrt fort: "Dat künn uns äwer doch äklich begriesmulen in den ollen Hollweg an dei Wacknitz. Dor fall`n jo nu all knapp dörchkamen känen. Verläden Woch hebben`s all mal den Regelinschen Baron dor rutschüffelt."
"Na, wi warden jo seihn," sagte Herr Dieterling. Krischan zuckte die Achseln und wandte seine Aufmerksamkeit wieder ausschließlich den Pferden zu. Hinter dem Seebruch, wo der Weg von Braunsberg einmündete, waren ganz frische Spuren sichtbar, vor kurzem musste ein von diesem Dorfe kommender Schlitten dort vor ihnen her gefahren sein. Krischan räusperte sich wieder, deutete mit der Peitsche auf die neuen Geleise im Schnee und dann mit dem Stiel über die Schulter weg nach Braunsberg und sagte: "Dei Brunsbarger stiegen in`n Erbgroßherzog af, sall ich bi Stadt Hamborg vörführen?" Herr Dieterling grunzte etwas, das wie eine Beistimmung klang, und unter Schweigen ging die Fahrt weiter. Nun man aus dem Walde heraus war, konnte man bemerken, dass der Schnee nicht von den Bäumen wehte, sondern aus der Luft kam und sich langsam vermehrte, so dass er die Ferne bereits mit einem
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Am See und im Schnee:
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