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Unter
dem Tannenbaum.
In der Dämmerstunde
Weihnachtsgeschichte
von Theodor Storm - Seite 2
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Anfang der Weihnachtsgeschichte ]
geweißten Wänden; ein Kinderstrom um den andern, singend und
bettelnd, drängt durch die Haustür; vom Keller herauf aus der
geräumigen Küche zieht der Duft des Gebäckes in ihre Nasen, das
dort in dem großen kupfernen Kessel über dem Feuer prasselt. - Ich
sehe alles; ich sehe Vater und Mutter - Gott sei gedankt, sie leben beide! -
aber die Zeit, in die ich hinabblicke, liegt in so tiefer Ferne der
Vergangenheit! - Ich bin ein Knabe noch! - Die Zimmer zu beiden Seiten des
Flures sind erleuchtet; rechts ist die Weihnachtsstube. Während ich vor
der Tür stehe, horchend, wie es drinnen in dem Knittergold und in den
Tannenzweigen rauscht, kommt von der Hoftreppe herauf der Kutscher, eine Stange
mit einem Wachslicht-Endchen in der Hand. - "Schon angezündet"
Tomas?" Er schüttelt schmunzelnd den Kopf und verschwindet in die
Weihnachtsstube. - Aber wo bleibt denn Onkel Erich? - Da kommt er draußen
die Treppe hinauf; die Haustür wird aufgerissen. Nein, es ist nur sein
Lehrling, der die lange Pfeife des "Herrn Ratsverwalters" bringt; ihm
nach quillt ein neuer Strom von Kindern; zehn kleine Kehlen auf einmal stimmen
an: "Vom Himmel hoch, da komm ich her!" Und schon ist meine
Großmutter mitten zwischen ihnen, die alte, geschäftige Frau, den
Speisekammerschlüssel am kleinen Finger, einen Teller voll Gebäckes
in der Hand. Wie blitzschnell das verschwindet! Auch ich erwische meinen Teil
davon, und eben kommt auch meine Schwester mit dem Kindermädchen, festlich
gekleidet, die langen Zöpfe frisch geflochten. Ich aber halte mich nicht
auf; ich springe drei Stufen auf einmal die Treppe nach dem Hofe hinab." -
Es war allmählich dunkel geworden; die Frau des Amtsrichters hatte leise
einen Aktenstoß von einem Stuhl entfernt und sich an die Seite ihres
Mannes gesetzt. - "Drüben in dem Seitengebäude ist das
Arbeitszimmer meines Vaters. Auf die Vordiele dort fällt heute kein
Lichtschein aus dem Türfenster der Schreiberstube; der alte
Tausendkünstler ist von meiner Mutter drinnen bei den
Weihnachtsgeheimnissen angestellt. Aber ich tappe mich im Dunkeln
vorwärts, denn gegenüber in seinem Zimmer höre ich die Schritte
meines Vaters. Er arbeitet schon nicht mehr. Ich öffne leise die Tür;
wie deutlich sehe ich ihn vor mir, ihn selbst und das große,
verräucherte Gemach, in dem der harte Schlag der alten Wanduhr tickt! Mit
einer feierlichen Unruhe geht er zwischen den mit Papieren bedeckten Tischen
umher, in der einen Hand den Messingleuchter mit der brennenden Kerze, die
andere vorgestreckt, als solle jetzt alles Störende fern gehalten werden.
Er öffnet die Schublade seines kleinen Stehpults und nimmt die große
goldene Tabatiere aus der Fischhautkapsel, einst ein Geschenk der
Urgroßmutter an ihren Bräutigam, dann nach des Urgroßvaters
Tode eine Ehren - und Vertrauensgabe an ihn. Aber er ist noch nicht fertig, aus
dem Geldkörbchen werden blanke Silbermünzen für die Dienstboten
hervorgesucht, eine Goldmünze für den Schreiber. "Ist Onkel
Erich schon da?" fragte er, ohne sich nach mir umzusehen. - "Noch
nicht, Vater! Darf ich ihn holen?" - "Das könntest du ja
tun." Und fort renne ich durch das Wohnhaus auf die Straße, um die
Ecke am Hafen entlang, und während ich drunten aus der Dämmerung das
Pfeifen des Windes in den Tauen der Schiffe höre, habe ich das alte
Giebelhaus mit dem Vorbau erreicht. Die Tür wird aufgerissen, dass die
Klingel weithin durch Flur und Pesel schallt. - Vor dem Ladentisch steht der
alte Kommis, der das Detailgeschäft leitet. Er sieht mich etwas
grämlich an. "Der Herr ist in seinem Kontor," sagt er trocken;
er liebt die wilde, naseweise Range nicht. Aber, was geht`s mich an. - Fort
mach ich hinten zur Hoftür hinaus, über zwei kleine finstere
Höfe, dann in ein uraltes, seltsames Nebengebäude, in welchem sich
das Allerheiligste des Onkels befindet. Ohne Unfall komme ich durch den engen,
dunklen Gang und klopfe an eine Tür. - "Herein!" Da sitzt der
kleine Herr in dem feinen braunen Tuchrock an seinem mächtigen
Arbeitspult; der Schein der Kontorlampe fällt auf seine freundlichen,
kleinen Augen und auf die mächtige Familiennase, die über den
frischgestärkten Vatermördern hinausragt. - "Onkel, ob du nicht
kommen wolltest!" sage ich, nachdem ich Atem geschöpft habe. -
"Wollen wir uns noch einen Augenblick setzen!" erwiderte er, indem
seine Feder summierend über das Folium des aufgeschlagenen Hauptbuches
hinabgleitet. - Mir wird ganz behaglich zu Sinne, ich werde nicht ein bisschen
ungeduldig; aber ich setze mich auch nicht, ich bleibe stehen und besehe
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