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Ein Weihnachtabend

Margretchen allein

Weihnachtsgeschichte von Ottilie Wildermuth ( 1817 bis 1877 )

Nicht lange mehr hatte Margretchen der Mutter helfen können im Laden, und es war das letzte Mal, dass sie Lichtlein verteilen durfte am Christabend.
Bald nach Neujahr war der Vater immer schwächer geworden und an dem Tage, wo man ihn begrub, konnte die Mutter nicht mehr vom Bett aufstehen; die Leute sagten es sei ein Zehrfieber, das habe sie von ihrem kranken Manne geerbt. Der Laden hatte ihnen nicht eigen gehört; da zogen fremde Leute herein und die kranke Frau mit dem Kind wurden in ein Kämmerchen oben im Hause untergebracht. Da saß dann das kleine Mädchen, bei der kranken Mutter viele Wochen lang; die armen Leute, die im Haus und in der Nachbarschaft wohnten, brachten ihr eine Suppe, etwas Milch oder Kaffee; und am Ende bekam die Kranke noch heftigeres Fieber und erkannte nicht einmal ihr eignes Kind mehr. An einem Morgen, es war im Herbst gewesen, lag sie bleich und still, so wie der Vater an dem Tag gelegen, als sie ihn in den Sarg gelegt hatten.
Der Armenarzt, der hier und da die kranke Frau besucht hatte, kam am Morgen; ein ganz schmales Streifchen Sonnenlicht fiel oben durch das kleine Fenster auf das blasse Mägdlein, das auf dem Schemel neben dem Bette saß.
"Was ist's Kind? Deine Mutter ist ja tot!" sagte der Doktor.
"Die Englein werden sie heute Nacht geholt haben," sagte Margretchen ruhig, "zum lieben Vater; aber ich weiß nicht, warum mich der liebe Gott nicht auch hat holen lassen, ich bin ja so allein." Und jetzt erst fing das Kind bitterlich zu weinen an. Die Wäscherin im Nebenhaus wollte sie mitnehmen, das Kind aber wollte nicht fort von der toten Mutter; es blieb auf dem Schemel sitzen, bis man die Leiche in den Sarg legte und hinaus trug. Frau Bendel, die Wäscherin, zog der Kleinen ein schwarzes Tüchlein und eine schwarze Schürze an, die ihr mitleidige Leute geschenkt hatten, und nahm sie an der Hand, dass sie mit ihr den Sag auf den Friedhof begleiten durfte.
Es war dem Kind gewesen wie ein Traum , als man nun auch ihre liebe Mutter hinunter gesenkt hatte unter die schwarze Erde. Sie konnte es nicht recht fassen, aber sie war jetzt nicht so traurig wie vorher am Bett der toten Mutter; denn es war noch so schön grün, die Sonne schien hell und warm und ein spätes Vöglein zwitscherte auf einem Apfelbaum; Margretchen war lange nicht mehr draußen gewesen.
Es fiel ihr ein, wie die Mutter ihr einmal gesagt hatte, als sie schon krank lag: "Wenn ich auch von dir fort muss, so will ich den lieben Gott recht bitten, dass er für dich sorgt," und sie konnte nicht so weinen wie die wenigen armen Weiber, die mit gegangen waren und die mitleidig auf das arme Kind blickten. Sie dachte: "Die Mutter ist jetzt beim lieben Gott, die wird's ihm schon sagen, vielleicht holt er mich auch bald." Margretchen wusste noch nicht, was Sterben ist.
Margretchens Eltern waren sehr arm gestorben; was noch da war, hatte nicht gereicht, um den schuldigen Pachtzins für den Laden zu zahlen. Sie hatten gar keine Verwandten, und auch der Kaufmann, bei dem früher der Vater gedient, lebte nicht mehr. Man wollte das Kind ins Armenhaus bringen; Frau Bendel, die Wäscherin, sagte aber, es wäre doch schade; dort seien die Kinder gar roh und ungezogen, sie wolle das Kind behalten gegen ein kleines Kostgeld. Man ließ es gerne bei ihr, weil sie für eine brave Frau galt.
die Wäscherin plagte auch Margret nicht. Wenn sie daheim war, so wusch sie das Kind sauber und kämmte sein Härchen; sie schnitt es ihm immer kurz ab, weil sie nicht Zeit hatte, ihm Zöpfchen zu flechten, und zog es ordentlich an. Aber sie war gar selten daheim, fast jeden Tag musste sie fort zum Waschen; sie ging dann schon früh vor Tag, wenn Margrete noch lange schlief; dann musste das Kind sehen, wie es allein aus dem Bett und in seine Kleider kam. Auf dem Herd im Hausflur hatte die Wäscherin ein Töpfchen Milch gesellt und ein Stück Brot dazu gelegt, davon konnte sie essen und trinken; aber oft wurde sie doch nicht satt und konnte abends nicht schlafen vor Hunger, bis Frau Bendel heimkam. Sie brachte dann
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Ein Weihnachtabend:
1. Ein Weihnachtabend
2. Margretchen allein
3. Gabriele
4. Margret verirrt sich wieder
5. Gabrielens Christabend
6. Das Schwesterlein






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