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Weihnacht
in Winkelsteg
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger - Seite 2
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Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
Wir haben ihm einen kleinen Botenlohn gegeben, da sagt er noch ein paar heitere
Sprüche und humpelt wieder zur Tür hinaus.
Die Leute sind ganz schweigsam und andächtig geworden; und erst, als die
Kirchenglocken zu läuten anheben, werden sie wieder lebendiger und
verlassen, unbeholfen in Worten und Geberden, die Stube.
Ich habe das Licht ausgelöscht, das Haus verschlossen und bin in die
Kirche gegangen. Das ist die Nacht, in der vom Orient bis zum Okzident die
Glocken läuten. Ein Freudenruf schallt durch die Welt und die Lichter
strahlen wie ein Diamantgürtel um den Erdball. - Auch in unserer Kirche
ist es licht wie am hellen Tage, nur zu den Fenstern schaut die helle Nacht
herein. Jeder hat ein Stück Kerze oder gar einen ganzen Wachsstock
mitgebracht; denn in der Christnacht muss jeder seinen Glauben und sein Licht
haben. Die Leute drängen sich zum Kripplein, das heute an der Stelle des
Beichtstuhles aufgerichtet worden ist. Ich habe vor mehreren Jahren aus Linden-
und Eschenholz die vielen kleinen Figuren geschnitzt und sie zur Versinnlichung
der Geburt Christi zusammengestellt. Es ist der Stall mit der Krippe, mit dem
Kindlein, mit Maria und Josef, mit Ochs und Esel, es sind die Hirten mit den
Lämmlein, die heiligen Könige mit den Kamelen; es sind andere
spaßhafte Männchen mit Gruppen, wie sie Freude, Wohltun und Liebe
zum Christkinde nach der Leute Auffassung ausdrücken sollen. In der Luft
hängen die Engel und die Sterne und im Hintergrunde ist die Stadt
Bethlehem. Was der Rüpel weiß zu sagen in Worten, das will ich durch
diese Bilder erzählen. Und die Leute erbauen sich an dieser Darstellung.
Aber sie halten sie, Gott sei Lob, eben nur wie ein Bild, von dem sie wissen,
dass es nichts bedeuten und nichts wirken kann als die Erinnerung. Mit einem
Heiligenbilde auf dem Hochaltar wäre das anders; das hätten sie Jahr
um Jahr und in allen Lebenslagen vor Augen, das täten sie wohl zum
Herrgott selber machen.
Auf dem Chore ist in dieser Nacht Unheil gewesen. Der Pfarrer stimmt schon das
ambrosianische Loblied an, ich sitze an der Orgel und ziehe zur hohen
Festfreude alle sechs Stimmzüge auf - da platzt jählings der
Blasebalg und die Orgel stöhnt auf und faucht und gibt keinen einzigen
klingenden Ton. Meiner Tage bin ich nicht in solcher Verlegenheit gewesen als
in dieser Stunde. Ich bin der Schulmeister, der Choraufseher, ich muss Musik
machen; und die Musik ist ja eigentlich das Fest und ohne Musik gibt es in der
Kirche gar keine Christnacht. Aller Leut' Herzen hüpfen, aller Leut' Ohren
spitzen sich der Musik entgegen, da schürft mir der Teufel jetzt den
Blasebalg auf. Ich habe meinen Kopf in die Hände genommen, hätte ihn
am liebsten zum Fenster hinausgeworfen. Vergebens hüpfen meine Finger alle
Zehn über die Tasten hin; taubstumm ist das ganze Zeug und wie maustot.
Der Paul Holzer, sein Weib und die Adelheid von der Schwarzhütte, die auf
dem Chore neben mir sitzen, merken wohl meine Pein; aber sie rücken nur so
her und hin und hüsteln und räuspern sich und heben an in hellen
Stimmen zu singen: "Herrgott, dich loben wir all!"
Das ist mir Öl ins Herz gewesen.
Aber das Lied wird bald aus sein und danach kommt das Hochamt und da muss
Musik, Chormusik sein um alle Welt. Holpert der alte Rüpel die Treppe
herauf: "Schulmeister! Will schon heut die Orgel schweigen, so nimm die
Geigen!" "O Gott, Rüpel, die ist zu Holdenschlag beim
Leimen!" "Und kunnt ich auch die Geigen nicht zuwege bringen, o
tät ich bei meiner Treu die Kirchenlieder frei auf der Zither
singen!"
Für diese Wort habe ich den Alten so stürmisch umarmt, dass er bis
ins Herz hinein erschrocken ist. Ich eile und hole die Zither; und bei dem
Hochamte klingt auf dem Chor ein Saitenspiel, wie es in dieser und etwa auch in
einer andern Kirche niemalen so gehört worden ist. Die Leute horchen, der
Pfarrer selber wendet sich ein wenig und tut einen kurzen Blick gegen mich
herauf.
Und so ist mitten in der langen Winternacht zu Winkelsteg das Christfest
gefeiert worden. Leise zittern und wiegen die Saitentöne; sie singen dem
Neugebornen Jesukindlein das Wiegenlied und dem Menschen den Frieden. Und sie
schrillen und wecken das schlafende
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