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Weihnacht
in Winkelsteg
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger - Seite 3
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Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
Kind, ehe der falsche Herodes kommt; und sie trillern ein Wanderliedchen
für die Flucht nach Ägypten.
Ich spiele den Messgesang, spiele die Lieder, wie sie meine Mutter gesungen und
mein Nährvater, der gute Schirmmacher, und im Hause des Freiherrn die
Jungfrau . . . .
Und letztlich weiß ich selber nicht mehr, was ich kindischer Mann der
Gemeinde und dem heiligen Kind hab vorgespielt in dieser Christnacht.
Ich werde den Winkelstegern noch so verrückt wie der Reim-Rüpel.
Nach dem Mitternachtsgottesdienst hat der Pfarrer durch mich die Ärmsten
der Gemeinde, die Alten, die Bestraften, die Verlassenen zu sich in den
Pfarrhof rufen lassen.
Je! Da ist es noch heller wie in der Kirche! Da ist mitten in der Stube ein
Baum aufgewachsen und der blüht in Flammenknospen an allen Ästen und
Zweigen.
Da gucken die alten Männlein und Weiblein gottswunderlich drein und
kichern und reiben sich die Augen über den närrischen Traum. Dass auf
einem Baum des Waldes eitel Kerzenlichter wachsen, das haben sie alle ihre Tage
noch nicht gesehen.
Jenes Wundervöglein von den tausend Jahren, sagt der Pfarrer, sei wieder
durch den Wald geflogen, habe ein Samenkorn in den Boden gelegt und dem sei
dieses Bäumchen mit den Flammenblüten entsprossen. Und das sei der
dritte Baum des Lebens. Der erst sei gewesen der Baum der Erkenntnis im
Paradiese; der zweite sei gewesen der Baum der Aufopferung auf Golgatha; und
dieser dritte Baum der Baum der Menschenliebe. Der uns das Golgatha der Erde
wieder zum Paradiese gestalte. Im brennenden Dornbusch habe Gott vormal einst
die Gebote verkündet und in diesem brennenden Busche wiederholte er es
heute: Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst!
Hierauf hat der Pfarrer die Kleidung und Nahrung verteilt, wie die Gaben
bestimmt gewesen, und die Worte gesagt: "Nicht mir danket, das Christkind
hat's gebracht!" "Du mein, du mein!" rufen die Leutchen zu
einander, "jetzt steigt uns das Christkind schon gar in den Wald herein!
Ja, weil wir halt eine Kirche haben und so viel einen guten Herrn
Pfarrer!"
Der Rüpel, auch einer der Beschenkten, ist allein kindischer wie die
andern all mitsammen. Er eilt um den Baum herum, als täte er das
Christkind suchen im Gezweige.
"Aber mein!" schreit er endlich, "die Sonn darf nicht bös
auf mich werden, ich weiß kein Licht auf der Erden, weiß keins zu
nennen, das so hell tät brennen wie dieser Wipfel mit seinem Gipfel! Seid
fein still und lauscht! Hört ihr's, wie's in den Zweigen rauscht? Wie
Spatzen fliegen die Englein und bauen ein Nest fürs Christkind zum
heiligen Fest. Der weiße dort der kleine - Flügel hat er auch noch
keine - der wär jetzt schier herabgefallen. Geh, lass dir ein paar
Steigeisen teilen vom Schmied, ich will sie schon zahlen. Schau, ich hab heut
ein warm Jöpplein kriegt und in jedem Säckel ein Taler liegt. Und
kommet, ihr Engel, nur auch bald zu allen andern Bäumen in unserm Wald,
auf dass ihr tätet anzünden die Lichterkronen zu tausend
Millionen!"
Keinen Löffel voll hat der alte Rüpel gegessen, als die andern beim
Grassteiger warme Suppe genießen. Und als Stroh in die Stube getragen und
ein Lager bereitet ist worden, dass die Leutchen nicht in der Nacht zu ihren
fernen Hütten wandern müssen, da ist der Rüpel hinausgegangen
unter den freien Himmel und hat die Sterne gezählt und jedem einen Namen
gegeben. Und der aufgehende Morgenstern hat den Namen "Vater Paul"
erhalten.
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