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Die
Nikolauslegende
Quelle: Leben und
Taten der Heiligen, 1840
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Der heilige Nikolaus (Bischof von Myra in Lyzien)
Im vierten
Jahrhundert
Nikolaus ist Einer der in der ganzen Christenheit berühmtesten Heiligen
Gottes. Er wurde zu Patara in Lyzien, einer asiatischen Landschaft, von
ansehnlichen, reichen, dabei frommen Eltern nach lange unfruchtbar
geführtem Ehestande, als eine Erhörung ihrer Gebete geboren. Um so
mehr ereiferten sich dieselben, ihren Sohn gänzlich für den Dienst
Gottes zu erziehen, und Nikolaus gab in der Kindheit schon die Vorzeichen der
besonderen Auserwählung Gottes und seiner künftigen Heiligkeit, indem
er sich jeden Mittwoch und Freitag (die damaligen Fasttage) von aller Nahrung
enthielt. Mit den kommenden Jahren war er unermüdet im Lernen und im
Gebete, floh jede böse Gesellschaft, und hasste die Sünde; so wurde
er ein Muster der Andacht, der Mäßigkeit und Keuschheit, "er
folgte im sterblichen Leibe dem Wandel der Unsterblichen nach," sagt von
ihm die alte Legende. Bald übertraf er seine Altersgenossen nicht nur an
vorleuchtender Gottesfurcht, sondern auch an Wissenschaft. Der Bischof zu Myra
nahm ihn unter seine Geistlichkeit auf. Dieser soll sein naher Anverwandter
gewesen sein, und freudig im Herrn über die außerordentliche
Frömmigkeit des Dieners Gottes ausgerufen haben: "Es geht mit
Nikolaus der Kirche Gottes ein neues Licht auf. Heil jener Erde, die ihn einst
zum Hirten erhalten wird!" Indessen starben seine Eltern an der Pest, die
in Lyzien Viele hinwegraffte. Nikolaus übernahm die reiche Erbschaft, aber
nicht für sich, sondern zum Troste der Armen. Seine Hand, wie sein Herz,
war stets offen zum Helfen.
Da er erfuhr, dass ein Mann in seiner Vaterstadt Patara, von adeligem
Geschlechte, wegen Armut auf den unseligen Gedanken verfiel, die Unschuld
seiner Töchter preis zu geben, um durch sündhaften Gewinn sich und
die Seinigen vom Hungertode zu retten, begab er sich nächtlicher Weile in
aller Stille zu dem Hause der Notleidenden, und warf durch das offene Fenster
einen Säckel Goldes in die Schlafkammer des bekümmerten Vaters, womit
dieser seine älteste Tochter verheiratete. Hierauf begab sich Nikolaus zum
zweiten und dritten Male um Mitternacht zu dem Hause der armen Familie, und
warf jedes Mal so viel Goldes, wie das erste Mal, in die Schlafkammer des
Vaters, um auch die beiden andern Töchter noch zu retten. Als der Heilige
sein drittes Goldgeschenk in die Kammer geworfen, eilte der Vater, der die
dritte Nacht schlaflos in seinem Bette liegend geblieben war, dem fliehenden
Wohltäter nach, und warf sich ihm voll Dankbarkeit zu Füßen,
als er ihn ereilt hatte. Nikolaus hob ihn auf, und sagte, er hätte nur
nach seiner Schuldigkeit gehandelt, und schärfte dem getrösteten
Manne ein, Niemanden zu offenbaren, was er getan hätte.
Nicht lange danach bewog ihn die inbrünstige Liebe zu Jesus, nach
Jerusalem zu gehen, um anzubeten an den heil. Orten der Geburt, des Lebens,
Leidens und Sterbens, der Auferstehung und Himmelfahrt unsers Heilandes.
Hierauf begab er sich in ein Kloster, das heil. Sion genannt, um getrennt von
den Unruhen der Welt, in Betrachtung der ewigen Wahrheit ein stilles,
gottgeweihtes Leben zu führen.
Als er hier einmal in seinem verschwiegenen Kämmerlein auf den Knien lag,
und zum Himmel betete, da war es ihm, als hörte er eine Stimme, die zu
seinem Herzen sprach: "Nikolaus! hier ist nicht der Acker, auf welchem du
die Früchte bringen wirst, die ich von dir erwarte. Kehre um zu deinem
vorigen Leben, auf das mein Name durch dich geehrt werde!" Der Heilige
nahm diese innere Stimme zu Herzen, erkannte darin den göttlichen Willen,
verließ das Kloster, und reiste geradezu nach der Hauptstadt des Landes,
Myra genannt. Er war nicht lange dort, als sich die Bischöfe und Priester
der Landschaft Lyzien versammelten, um den erledigten bischöflichen Stuhl
zu Myra zu besetzen. Während dem Gebete um einen apostolischen Oberhirten
ward dem ältesten Bischofe von Gott eingegeben: man solle Den
erwählten, der des Morgens der erste zur Kirche kommen würde. Und
sieh! es war Nikolaus der Erste, und er ward wie im Triumphe auf den
bischöflichen Stuhl gesetzt und als Bischof zu Myra begrüßt;
seine Demut mochte sich einen unnützen Knecht nennen, und solches
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