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Weihnachten
im Sommer
Weihnachtsgeschichte
von Monika Hunnius ( 1858 bis 1934 )
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Es
ist ein strahlender Sommertag. Wir sind bei meinem Onkel Hermann in
Weißenstein. Die Luft ist voll Rosen -, Lilien - und
Lindenblütenduft. Wir sollen abends ein Kirchenkonzert für Onkels
Arme geben. Die Tage sind voll wichtiger Vorbereitungen gewesen; Programme sind
gemacht, Liedertexte umgedichtet, damit sie für die Kirche brauchbar sind.
Her Kappel, der junge Orgelspieler, hat atemlos mit uns proben und arbeiten
müssen.
Alles ist schön und festlich, nur liegt dieser Tage ein Streit zwischen
mir und meinen beiden Vettern in der Luft. Sie haben mich und meine Freundin
tief beleidigt durch ein Gedicht, worin sie unsere uns so heilige Freundschaft
verspotteten. Das Gedicht schließt mit dem Refrain: "Zwei Paar
Schuhe, Herzen: eins!"
Als es nun zur Generalprobe geht, hat unser Streit seinen Höhepunkt
erreicht. Vetter Georg und Vetter Samuel, sonst so ritterlich und hilfsbereit,
haben sich geweigert, meine Noten in die Probe zu tragen. Ich ziehe mit meiner
Freundin Betty über den Marktplatz und sehe die Vettern Arm in Arm
daherkommen. Mitten auf dem Marktplatz lege ich meine Mappe mit sämtlichen
Noten auf das Pflaster und bedeute ihnen, sie mir nachzutragen. Pfeifend und
lachend gehen sie vorüber. "Du bist verwöhnt!" sagen sie.
Ich gehe in die Kirche und setze mich auf die Orgelbank, die noten liegen
mitten auf dem Marktplatz. Die beiden Sünder sitzen scheinheilig unten in
der Kirche und rühren sich nicht, und die Probe soll beginnen, aber keiner
weicht von seinem Platz. Ich kann unmöglich nachgeben, doch Herr Kappel
bittet um die Noten.
"Meine Vettern werden sie gleich bringen", sagte ich.
Die Vettern haben alle ihre Aufmerksamkeit auf die Betrachtung des Altarbildes
gewendet, als sähen sie es zum erstenmal, und blickten nicht hinauf zum
Orgelchor.
"Herr Kappel", sage ich, "seien Sie so freundlich, gehen Sie zu
meine Vettern hinunter und schicken Sie sie nach den Noten, sie wissen, wo sie
sind!"
Herr Kappel kommt verlegen wieder herauf: "Sie weigern sich zu
gehen", sagte er, "soll ich die Noten nicht selbst holen, wo sind
sie?"
Ich kann doch unmöglich sagen: sie liegen auf dem Marktplatz.
"Auf keinen Fall, meine Vettern werden sie bestimmt holen",
antwortete ich zuversichtlich.
Alles wartet auf den Beginn der Probe.
Meine Mutter kommt die Treppe herauf, die zum Chor führt. "Warum
fangt ihr nicht an?" fragte sie. Als sie das Unglück mit den Noten
erfährt, verlangt sie, ich solle sie selbst holen. Tief beleidigt in
meiner jungen Künstlerwürde, muss ich mich so weit demütigen,
dass ich die Mappe hole. Die Vettern haben sich nicht gerührt.
Nun ist seitdem trotz des festlichen Tages ein dauernder Kriegszustand zwischen
uns erklärt, wir reden nicht miteinander. Ich sitze im Garten, der voll
Sommerduft und Schwalbenschwirren ist. Seit Stunden sind die Vettern
verschwunden, was werden sie sich ausgedacht haben? Es ist alles so
geheimnisvoll im Hause. Eine große Überraschung nach dem Konzert
scheint geplant zu werden. Ich darf den Saal nicht betrete, dessen
Fensterläden nach der Straße geschlossen sind.
Die Stunde des Konzerts ist da. Onkel Hermann hat den ganzen Tag besonders
schlau ausgesehen. "Wenn du schön singst", sagt er,
"erlebst du heute etwas, was du noch nie erlebt hast."
Die Stadt ist voller Unruhe. Kleine landsche Equipagen rasseln durch die
Straßen, große Kutschen kommen von den Gütern, fahren
schwerfällig über das holprige Pflaster. Jeder aus dem kleine
Stadtchen rüstet sich zum Konzert.
Ich gehe noch einmal durch den Garten an Onkels Arm, wir sind beide still. In
mir singen und klingen schon all die Lieder aus dem Programm, und ein
Gefühl von festlicher Freude erfüllt mich.
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