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Nussknacker und Mausekönig

Onkel und Neffe

Weihnachtsmärchen von E.T.A. Hoffmann ( 1776 bis 1822 )

Hat jemand von meine hochverehrtesten Leser oder Zuhörern jemals den Unfall erlebt, sich mit Glas zu schneiden, so wird er selbst wissen, wie wehe das tut, und welch schlimmes Ding es überhaupt ist, da es so langsam heilt. Hatte doch Marie beinahe eine ganze Woche im Bette zubringen müssen, weil es ihr immer ganz schwindlig zumute wurde, sobald sie aufstand, Endlich aber wurde sie ganz gesund und konnte lustig, wie sonst, in der Stube umherspringen. Im Glasschrank sah es ganz hübsch aus, denn neu und blank standen da Bäume und Blumen und Häuser und schöne glänzende Puppen. Vor allen Dingen fand Marie ihren lieben Nussknacker wieder, der, in dem zweiten Fache stehend, mit ganz gesunden Zähnchen sie anlächelte. Als sie nun den Liebling so recht mit Herzenslust anblickte, da fiel es ihr mit einemmal sehr bänglich aufs Herz, dass alles, was Pate Drosselmeier erzählt habe, ja nur die Geschichte des Nussknackers und seines Zwistes mit der Frau Mauserinks und ihrem Sohne gewesen. Nun wusste sie, dass ihr Nussknacker kein anderer sein könne, als der junge Drosselmeier aus Nürnberg, des Paten Drosselmeiers angenehmer, aber leider von der Frau Mauserinks verhexter Neffe. Denn dass der künstliche Uhrmacher am Hofe von Pirlipats Vater niemand anders gewesen, als der Obergerichtsrat Drosselmeier selbst, daran hatte Marie schon bei der Erzählung nicht einen Augenblick gezweifelt. "Aber warum half dir der Onkel denn nicht, warum half er dir nicht?" so klagte Marie, als sich es immer lebendiger und lebendiger in ihr gestaltete, dass es in jener Schlacht, die sie mit ansah, Nussknackers Reich und Krone galt. Waren denn nicht alle übrigen Puppen ihm untertan, und war es denn nicht gewiss, das die Prophezeiung des Hofastronomen eingetroffen, und der junge Drosselmeier König des Puppenreichs geworden? Indem die kluge Marie das alles so recht im Sinn erwägte, glaubte sie auch, dass Nussknacker und seine Vasallen in dem Augenblick, dass sie ihnen Leben und Bewegung zutraute, auch wirklich leben und sich bewegen müssten. Dem war aber nicht so, alles im Schranke blieb vielmehr starr und reglos, und Marie, weit entfernt, ihre innere Überzeugung aufzugeben, schob das nur auf die fortwirkende Verhexung der Frau Mauserinks und ihres Sohnes. "Doch", sprach sie laut zum Nussknacker, "wenn Sie auch nicht imstande sind, sich zu bewegen oder ein Wörtchen mit mir zu sprechen, lieber Herr Drosselmeier, so weiß ich doch, dass Sie mich verstehen und es wissen, wie gut ich es mit Ihnen meine; rechnen Sie auf meinen Beistand, wenn Sie dessen bedürfen. - Wenigstens will ich den Onkel bitten, dass er Ihnen mit seiner Geschicklichkeit beispringe, wo es nötig ist." Nussknacker blieb still und ruhig, aber Marien war es so, als atme ein leiser Seufzer durch den Glasschrank, wovon die Glasscheiben kaum hörbar, aber wunderlieblich ertönten, und es war, als sänge ein kleines Glockenstimmchen: "Maria klein - Schutzenglein mein - dein werd` ich sein - Maria mein." Marie fühlte in den eiskalten Schauern, die sie überliefen, doch ein seltsames Wohlbehagen. Die Dämmerung war eingebrochen, der Medizinalrat trat mit dem Paten Drosselmeier hinein, und nicht lange dauerte es, so hatte Luise den Teetisch geordnet, und die Familie saß ringsumher, allerlei Lustiges miteinander sprechend. Marie hatte ganz still ihr kleines Lehnstühlchen herbeigeholt und sich zu den Füßen des Paten Drosselmeiers gesetzt. Als nun gerade einmal alle schwiegen, da sah Marie mit ihren großen blauen Augen dem Obergerichtsrat starr ins Gesicht und sprach: "Ich weiß jetzt, lieber Pate Drosselmeier, dass mein Nussknacker dein Neffe, der junge Drosselmeier aus Nürnberg ist; Prinz oder vielmehr König ist er geworden, das ist richtig eingetroffen, wie es dein Begleiter, der Astronom, vorausgesagt hat; aber du weißt es ja, dass er mit dem Sohne der Frau Mauserinks, mit dem hässlichen Mausekönig, in offnem Kriege steht. Warum hilfst du ihm nicht?" Marie erzählte nun nochmals den ganzen Verlauf der Schlacht, wie sie es angesehen, und wurde oft durch das laute Gelächter der Mutter und Luisens unterbrochen. Nur Fritz und Drosselmeier blieben ernsthaft. "Aber wo kriegt das Mädchen all das tolle Zeug in den Kopf?" sagte der Medizinalrat. "Ei nun", erwiderte die Mutter, "hat sie doch eine lebhafte Phantasie - eigentlich sind es nur Träume, die das heftige Wundfieber erzeugte." "Es ist alles
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Nussknacker und Mausekönig:
1. Der Weihnachtsabend
2. Die Gaben
3. Der Schützling
4. Wunderdinge
5. Die Schlacht
6. Die Krankheit
7. Das Märchen von der harten Nuss
8. Fortsetzung von dem Märchen mit der harten Nuss
9. Beschluss des Märchens von der harten Nuss
10. Onkel und Neffe
11. Der Sieg
12. Das Puppenreich
13. Die Hauptstadt
14. Beschluss






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Weihnachtsmärchen: Nussknacker und Mausekönig - Onkel und Neffe