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Das
vertauschte Weihnachtskind
Weihnachtsgeschichte
von Victor Blüthgen - Seite 3
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Anfang der Weihnachtsgeschichte ]
In aller Frühe klingelte es bei Doktors. Als das Mädchen
öffnete, stand Klein-Elsbeth da, hochrot im Gesichtchen, sagte gar nicht
"Guten Morgen", sondern bloß sehr bestimmt: "ich will mein
Brüderchen sehen. Es gehört nämlich mir."
Sie war dem Fräulein durchgegangen, das noch mit Haarmachen zu tun hatte.
"Das ist deins?" fragte das Mädchen erstaunt. "Ich denke
doch, das ist der Frau Doktor ihres."
"Nein, das habe ich mir bestellt, es ist bloß falsch abgegeben. Und
ich will mirs holen."
"Na, das glaube ich nicht, daß sie dir das herausgeben," meinte
das Mädchen. "Ich will mal den Herrn fragen, ob du es sehen darfst,
es wird gerade gebadet."
Sie ging fort, und statt ihrer kann der Doktor. "Morgen, Elsbethchen. Na,
willst dus sehen? Dann komm mit. Aber es ist richtig unseres,
verlaß dich drauf."
"Ja wohl, ihr wollt mirs jetzt bloß nicht geben. Ich hab
mirs bestellt und ihr nicht!"
"Doch, wir haben auch eins bestellt."
"Aber Elsbethchen!" riefs unten, und Fräulein kam mit
halbgemachten Haar die Treppe heraufgeflogen.
"Du lügst!" rief die Kleine in leidenschaftlicher Erbitterung.
"Du sagst bloß so. Und jetzt will ichs gar nicht sehen
..."
"Entschuldigen Sie das Kind, Herr Doktor," sagte Fräulein.
"Meinen herzlichen Glückwunsch! Es ist so ein merkwürdiger
Zufall ..."
Elsbethchen war schon auf der Treppe, und jetzt war Fräulein bei ihr und
meinte: "Wir schreiben noch einmal an den Ruprecht, da werden wir ja
erfahren, wem es gehört."
"Ja, aber gleich," nickte Elsbeth entrüstet.
Nun saßen sie - sie hatten noch gar nicht gefrühstückt; die
Eltern lagen noch zu Bett - und Elsbeth diktierte, und Fräulein schrieb:
"Lieber Knecht Ruprecht! Ich bin sehr traurig" ...
Auf dem Korridor ging die Klingel. "Das wird die Post sein," sagte
Fräulein und legte die Feder nieder, "ich will erst einmal
nachsehn."
Sie ging und kam wieder mit dem Postboten, der trug eine große Kiste,
nickte Elsbethchen zu und meinte schmunzelnd: "Da kommt was für das
Fräuleinchen." Und Fräulein las auf der Begleitadresse und rief:
"Elsbethchen, da steht: ,Absender: der Weihnachtsmann; da bin ich
neugierig. Ich will gleich Werkzeug holen und öffnen."
Es stand aber auch etwas blau gestempelt auf der Adresse, davon sagte sie
nichts, das hieß nämlich: Schucker und Kompanie, Kohlenhandlung.
Die Neugier, ehe die Kiste geöffnet war und ausgepackt wurde! Erst viel
Holzwolle; und dann: eine Puppe, so groß, wie Elsbethchen noch keine
gehabt - ein kleiner Junge!
"Ja, was ist denn das?" kopfschüttelte Fräulein und nahm
einen Brief aus einem Kuvert, das dabei lag. Und dann schrie sie: "Denk
doch nur an, der Weihnachtsmann schreibt an dich:
,Liebes Elsbethchen! Der Knecht Ruprecht läßt dich schön
grüßen. Er hat mir gesagt, du hättest dir einen richtiges
lebendiges Brüderchen gewünscht. Aber die sind dieses Jahr schlecht
geraten, und ich mußte erst den Leuten eins bringen, die schon voriges
Jahr eins gewünscht und nicht gekriegt haben. Da hatte ich für dich
keins mehr übrig und schicke dir dafür noch ein extragroßes,
das zwar nicht lebendig aber sehr schön ist. Es grüßt dich der
Weihnachtsmann."
"Dann ists doch richtig," sagte Elsbethchen betreten, "es
gehört Doktors. Ich freue mich gar nicht." Der Kohlenhändler,
der den Brief an den Knecht Ruprecht in seinem Briefkasten gefunden, hatte sich
den Spaß gemacht; davon aber erfuhr Elsbethchen nichts.
Noch am selben Tag aber war sie bei Doktors und besah das Brüderchen. Es
war ein kleines, schrumpeliges Ding und quäkte gräßlich. Ganz
krebsrot und häßlich sah es aus.
"Weißt du," sagte sie zu Fräulein, als sie von Doktors die
Treppe hinuntergingen, "jetzt ist mirs doch lieber, daß ich
das Brüderchen nicht gekriegt habe; das, was mir der Weihnachtsmann
geschickt hat, ist viel hübscher und auch viel artiger. Das andere
können Doktors behalten."
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