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Ein
besonderes Weihnachtsfest
Weihnachtsgeschichte
von Monika Hunnius - Seite 2
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Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
Ladenfenster einen Bettler stehen, mit sehnsüchtigen Blicken auf die
ausgestellten Herrlichkeiten schauend. Ich stelle mich neben ihn und beobachte
ich heimlich: seine Kleider sind geflickt und gestopft, auf dem Rücken hat
er einen Bettelsack, in der Hand einen Knotenstock. Er wendet sich mir zu, und
ich blicke in ein schönes, ehrliches, altes Gesicht mit einem weißen
Bart und frohen klaren Augen, die mich fast etwas schelmisch hinter
Brillengläsern ansehen. "Schenken sie mir etwas", sagt er
freundlich, Sie haben gewiss ein gutes Herz, ich möchte mir gern ein
kleines Weißbrötchen kaufen, aber ich habe kein Geld dazu."
Ich drücke ihm ein Geldstück in die Hand, er zieht höflich sein
gestricktes Mützchen und dankt. "Wollen sie mich nicht morgen zum
Weihnachtsabend besuchen?" fragte ich ihn.
"Ei, warum denn nicht", sagt er vergnügt, "ich komme schon
ganz gern, ich habe aber zu Hause eine Frau, darf ich sie mitbringen?"
Ich lade auch seine Frau ein, und schreibe ihm meine Adresse auf, er
verspricht, morgen Nachmittag pünktlich bei mir zu sein.
Als wir aus dem Festgottesdienst heimkommen, finde ich ihn richtig mit seiner
dicken lustigen Frau in meiner Küche vor. Sie sind beide gut und
sorgfältig gekleidet, nichts erinnert an den Bettelmann von gestern. Ich
führe sie in mein Speisezimmer, wo der Festtisch gedeckt ist, und wir
setzen uns um den Tisch zur Entrüstung meiner alten Magd.
"Denen würde es nichts schaden, wenn sie in der Küche essen
würden", sagt sie ärgerlich, "alles, wie es sich
gehört. An einen Herrschaftstisch gehört kein Bettler."
"Aber es ist Weihnachten, Annchen, und die beiden sind unsere
Gäste", sage ich, "Sie sollen sich auch mit zu uns setzen."
Die alte treue Seele sieht mich empört an.
"Dienstboten gehören in die Küche zum Essen", sagt sie
streng, "und Herrschaften ins Speisezimmer, so war es immer.
Außerdem ist er bestimmt kein richtiger Bettler, er ist viel zu
lustig."
Das Bettlerpaar lässt es sich wohl sein, sie essen und trinken und freuen
sich an allem.
"Das ist mal ein Festabend", sagt der Alte immer wieder, "mir
ist es lange nicht so gut gegangen."
Nun ist das Essen beendet, und die Weihnachtslichter sollen angezündet
werden. Wir führen das alte Paar unter den hellen Lichterbaum, wo sie
ihren Tisch mit Gaben finden.
"Wer spricht jetzt den Weihnachtssegen?" fragt der Alte, "wer
segnet den Baum?"
"Wollen sie es nicht tun?" fragte ich.
Er ist sofort dazu bereit, tritt vor und hebt seine Hände empor:
"Jesus Christus segne diesen Weihnachtsbaum!" sagt er laut. Dann
wendet er sich ein wenig verlegen zu mir. "Weiter kann ich den Spruch
nicht", sagt er kleinlaut, "in meiner Kindheit habe ich ihn mal
gekonnt."
"Das macht nichts", sage ich tröstend, "wir lesen jetzt das
Weihnachtsevangelium."
Ich lese es beim Strahl der Weihnachtskerzen. Dann setzen wir uns zusammen
unter den Weihnachtsbaum zu einem Glase Wein. Der Alte soll aus seinem Leben
erzählen. Da geht ihm sein Herz auf. "Ich muss ihnen die Wahrheit
sagen, meine Damen", sagt er, "Sie sind so gut gegen mich gewesen,
ich muss mein Herz erleichtern: ich bin weder arm, noch ein Bettler, ich bin
ein ganz wohlsituierter Mann. Wir haben gute Kinder, die uns versorgen, wir
haben eine nette kleine Wohnung, und es geht uns eigentlich nichts ab. Aber um
so behaglich leben zu können, reicht es nur sechs Tage in der Woche, und
um den siebten Tag ebenso leben zu können, muss ich betteln. Da habe ich
denn mein Bettlerkostüm, meinen Bettelsack und meinen Knotenstock. Ich
gehe dann schon am Morgen früh fort, wenn es noch dunkel ist, damit mich
die Nachbarn nicht so sehen, denn ich würde mich ja zu Tode schämen,
wenn das herauskäme. Abends komme ich wieder heim und habe immer etwas in
meinem Bettelsack, was ich meiner Frau mitbringe, so dass wir den nächsten
Tag gut leben können. Die Damen sollten uns einmal zum Kaffee besuchen, es
würde Ihnen schon bei uns gefallen. Nehmen Sie
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