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Eine
Verlassene
Weihnachtsgeschichte
von Monika Hunnius - Seite 2
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"Das weiß ich nicht", antwortete die junge, "das
weiß nur Gott, aber vielleicht sollen Sie noch Geduld lernen, vielleicht
Gehorsam. Wollen wir Gott bitten, dass er Sie das lehrt, was sie noch lernen
sollen, und dass er sie dann heimgehen lässt in Frieden."
Und er kniet nieder vor dem Bett der Alten, in all dem Schmutz, in all der
Düsterheit hebt er sein helles Jünglingsgesicht empor und betet wie
ein Kind.
Ich werde dieses Gebet nie vergessen. Ich hatte die Empfindung, als stiege es
in seiner Einfachheit vor Gottes Thron. Und dann sangen wir: "O du
fröhliche, o du selige". Ach, hätte die arme, gefangene Seele
doch in diesem Augenblick ihre Flügel heben und heim fliegen dürfen!
Die Kranke weint. Man hatte das Gefühl, als müsse sie sterben in
diesen Tränen. Wir legen ihr die mitgebrachten Sachen aufs Bett, dann
nehmen wir Abschied. Als der Kandidat ihr die Hand gibt, will sie sie
küssen, erschrocken wehrt er ab.
Aufatmend stehen wir draußen unter dem dunklen Schneehimmel, keines wagt
etwas zu reden. In tiefen Gedanken, schweigend, fahren wir heim.
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