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Weihnachten
im Künstlerheim
Weihnachtsgeschichte
von Monika Hunnius ( 1858 bis 1934 )
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Sie
waren durch viel Leid und Trübsal gegangen, die der Krieg mit sich
gebracht hatte. Trennungsschmerzen, Angst um geliebtes Leben, das im Kugelregen
draußen stand - Krankheit und Not - alles war durch ihre Seelen gegangen,
hatte sie kleinmütig und mutig, traurig und froh gefunden. Und nun waren
sie vereinigt in schwer erkämpftem, ungetrübtem Glück. Es war
ein schöne, kleines Künstlerheim, in dem ich mit ihnen den
Weihnachtsbaum schmückte. Alter, wertvoller Hausrat aus Großvaters
Zeiten füllten das Zimmer, und Blumen blühten an den Fenstern, trotz
Schnee und Winterkälte draußen. Schöne Bilder von
Künstlerhand schmückten die Wände, weiche Teppiche deckten den
Fußboden, und im Nebenzimmer, in einem weißverhüllten
Wägelchen, schlief der größte Stolz des Hauses, ein kleines
Kind, nur wenige Monate alt. - Durch Jahre meines Lebens hatte ich schon zu ihr
gehört, war durch Jahre schwersten Ringens auf ihrer Künstlerlaufbahn
mit ihr gegangen, Schritt für Schritt, Schmerzen und Freuden mit ihr
teilend. Sie war eine von den Berufenen, aber ihre Seele war zart und
verletzlich, sie litt auf dem steinigen Pfad, der zur Höhe führte.
Nun war sie glücklich an der Seite des geliebten Mannes, der auch
Künstler war. Ich hatte mich aus der Ferne an ihrem Glück gefreut,
und heute durfte ich Weihnachten mit ihnen feiern. Während wir den Baum
schmückten, erzählten wir uns von all den Jahren, die wir getrennt
gewesen waren. Er erzählte von Kriegsnot, von Weihnachtsfesten in den
Unterständen, oft unter Kugelregen und Kanonendonner - sie von
Weihnachtsfesten der Einsamkeit, voll Sehnsucht, voll geduldigen Wartens.
Ich schwieg und horchte auf die Erzählungen der beiden Glücklichen.
Ich hatte aus der Heimat fliehen müssen, und das Heimweh verschloss mir
die Lippen. Die beiden jungen Menschen, die immer wussten, was in meiner Seele
vorging, spürten es auch dieses Mal und schwiegen.
Dann fing die junge Frau an zu erzählen von einem Weihnachtsfest, das sie
in Livland auf dem Lande mit mir erlebt hatte. Sie nannte mein Heimatland
seitdem nur "Die Seelenheimat". Sie spricht mit leiser Stimme, als
sähe sie Bilder vor sich; und ein geliebtes Doktorhaus ersteht unter ihren
Worten vor meine Blicken, hoch am Ufer der Düna gelegen. "Das Haus
ist langgestreckt und schmal", erzählt sie, "Ställe,
Wagenremise und sämtliche Wirtschaftsräume sind unter einem Dach. Man
nennt es die "Arche". Unten im Garten fließt die Düna
vorüber. Der Strom, der sonst so lebendig rauscht, liegt wie schlummernd
unter seiner Schnee - und Eisdecke da. Im Hause aber waltet die Liebe.
"Tante Ida" regiert das Haus mit warmer, liebevoller Hand; sie
füllt es mit dieser Liebe, bis in jeden Winkel hinein spürt man sie.
Wie viele Müde, Arme, Kranke , Gestrauchelte kommen im Laufe des Jahres in
dieses Haus und holen sich Kraft aus dem großen Strom der Liebe, aus der
mutigen Seele, die aus Tante Idas Augen spricht! Sie ist eine wunderschöne
alte Freu mit herrlichen Blauaugen, grauem Haar und stolzen Zügen, als
wäre sie aus königlichem Geblüt. Das Königliche aber
hält nicht stand vor Leid und Krankheit; wo sie denen begegnet, da werden
die stolzen Königsaugen weich, denn sie weiß zu trösten,
"wie ein Mutter tröstet". Das Haus ist zu Weihnachten
gefüllt: Kranke holen sich Kraft, Traurige Mut, Müde,
Überarbeitete Ruhe und Frieden aus der Arche, aus den hellen, mutigen
Mutteraugen Tante Idas. Es war ein so wunderbares Leben dort, und diese alles
vergesse ich nie", schließ die junge Frau leise und schwieg dann.
Der junge Hausherr horcht auf die fremde Welt, von der wir reden, die seinem
Herzen doch so nahe ist. Und ich erzähle weiter: "Die Vorbereitungen
zum Heiligabend sind alle gemacht. Wir haben den Weihnachtsbaum aus dem Walde
geholt. Er füllt die ganze Mitte des Saales und ist wie ein Stück
Wald, das ins Zimmer gekommen ist. Riesenschüsseln mit Gebäck werden
von "Guscha", dem guten Geist des Hauses, aus der Küche getragen
und auf den Tisch im Speisezimmer hingestellt. Guscha strahlt, ihr Gesicht ist
vom Herdfeuer gerötet, sie ist dick und fröhlich, und ihr Herz kennt
nur eine Freude: für andere Gutes tun und für sie arbeiten. - Die
Bescherung ist gewesen, das festliche Abendessen hat uns um den langen
Speisetisch
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