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Weihnachten
in Rom
Weihnachtsgeschichte
von Monika Hunnius ( 1858 bis 1934 )
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Weihnachten
in Rom, welch ein wunderbarer Tag! Ich wohne bei Freunden aus alter Zeit, zwei
Freundinnen meiner Mutter, Estländerinnen, die seit dreißig Jahren
in Rom leben und hier ihre Heimat gefunden haben.
Am Morgen des Weihnachtstages wanderte ich durch die Straßen voller
Lärm, es treibt mich hinaus in die Einsamkeit der römischen
Trümmerwelt, zum Kolosseum.
Der Weg dorthin ist fast leer von Menschen, es scheint, als ob die Reisenden
heute andere Straßen gehen, kaum ein Mensch begegnet mir. Man sagt es
sich immer wieder vor: "Heute ist Weihnachten", doch will es das Herz
nicht glauben.
Die Sonne scheint strahlend und warm. Ich habe einen großen Strauß
Rosen gekauft, ihr Duft steigt süß zu mir empor. Nun stehe ich vor
dem Kolosseum, gewaltig steigt es in den blauen Himmel. Ich klettere die halb
verfallenen Stufen hinauf, so hoch man kann, und setze mich dort in eine
Öffnung im Gemäuer. Der Blick ist wunderbar: er geht weit über
das Kapitol, weit hinaus über die Campagna bis zu den Sabiner und Albaner
Bergen am Horizont. Rosenduft, Sonne, dieser Blick in die weite schimmernde
Ferne - es war so traumhaft schön! Und doch breitete meine Seele ihre
Schwingen aus und flog voller Sehnsucht in die alte Heimat, die jetzt im tiefen
Schnee begraben lag. Nein, Weihnachtsstimmung gab es hier nicht; die gab es nur
daheim in den verschneiten Wäldern, in den ländlichen Pastoraten, in
den Straßen und Häusern der alten Heimatstadt, wo alles voller
festlicher Bewegung war. Jetzt roch es dort nach Tannen, nach Pfefferkuchen und
frisch gebackenen Brot, jeder hatte Geheimnisse, jeder hatte schnell noch etwas
zu besorgen. Auch im Hause meiner Freunde stand schon ein Lorbeerbaum in einem
Kübel, der sollte am Abend mit Lichtern geschmückt werden, aber es
war doch kein Weihnachtsbaum. Mit einem Herzen voller Heimweh saß ich da,
einsam und fremd. -
Nun war es Nachmittag; ich macht mich mit meinen Freunden auf den Weg zum
berühmten Kindergottesdienst in der Kirche Ara - Celi. Das
wundertätige Bambino wird für die Weihnachtstage dort ausgestellt. In
einer Ecke der Kirche liegt es in seiner Krippe auf Stroh; ihm gegenüber
ist eine Kanzel aufgebaut, die dicht gedrängt voller Kinder ist, Kopf an
Kopf stehen sie da und füllen auch die Treppe, die in die Kirche
hinabführt, die voller Menschen ist. Eine bunt gemischte Menge; stolze
Eltern, die ihre Kinder predigen hören, neugierige Fremde, die sich das
Schauspiel ansehen wollen, und Andächtige, die fest an die Wunderkraft des
heiligen Bambino glauben.
Die Kinderpredigt ist schon in vollem Gang. Wie unkindlich wirken die
italienischen Kinder auf unser deutsches Gemüt! Ein kleines Mädchen
steht oben, graue Fellchen schmücken ihren Hals und ihre dünnen
Handgelenke. Ganz ohne Scheu, mit gellender Stimme und funkelnden Augen
kreischt es seine Rede. Ein alter Mann steht neben mir, in den Anblick des
Kindes ganz versunken; er stößt mich an. "Es ist meine
Enkelin", sagt er stolz, "die kann`s." Ich sehe mit Staunen
diesem kleinen, vielleicht zehnjährigen Mädchen zu. Nichts von Scheu,
nichts von Verlegenheit! Wie eine geübte Schauspielerin gestikuliert sie,
schlägt ihre Augen zum Himmel empor, und immer eindringlicher gellt ihre
Stimme durch den Raum. Da wird es den andern Kindern zu viel, es dauert ihnen
zu lange. Feste kleine Kinderfäuste packen die Rednerin an, ziehen sie von
ihrem Platz fort; andere drängen sich vor; man hört noch das
kreischende Kinderstimmchen, da steht aber auch schon eine anderes Kind an
ihrer Stelle. Das spricht in Versen; es hat die Hände über der Brust
gefaltet, die Augen emporgeschlagen, nun reckt es seine Händchen und zeigt
mit ekstatischer Gebärde aufs heilige Bambino. "Das ist eine kleine
Heilige", flüstert mit eine alte Frau zu. Aber auch die darf nicht
lange sprechen, ein anderes Kind tritt an ihre Stelle. So geht es dort
stundenlang fort; ein Kind folgt dem andern, die predigende Schar ist
unendlich.
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