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Kapitelanfang des Weihnachtsmärchen ]
als immer und ewig dasselbe; und dass die Jäger so schläfrig und flau
dazu bliesen, das hat auch seine Ursachen. Der Zuckerkorb hängt zwar
über ihrer Nase in den Weihnachtsbäumen, aber etwas hoch! - Doch
wollen wir nicht ein wenig weiter spazieren?" "Ach, es war doch alles
recht hübsch, und mir hat es sehr wohl gefallen!" so sprach Marie,
indem sie aufstand und dem voranschreitenden Nussknacker folgte. Sie gingen
entlang eines süß rauschenden, flüsternden Baches, aus dem nun
eben all die herrlichen Wohlgerüche zu duften schienen, die den ganzen
Wald erfüllten. "Es ist der Orangenbach," sprach Nussknacker auf
Befragen, "doch, seinen schönen Duft ausgenommen, gleicht er nicht an
Größe und Schönheit dem Limonadenstrom, der sich gleich ihm in
den Mandelmilchsee ergießt." In der Tat vernahm Marie bald ein
stärkeres Plätschern und Rauschen und erblickte den breiten
Limonadenstrom, der sich in stolzen isabellfarbenen Wellen zwischen gleich
grün glühenden Karfunkeln leuchtendem Gesträuch
fortkräuselte. Eine ausnehmend frische, Brust und Herz stärkende
Kühlung wogte aus dem herrlichen Wasser. Nicht weit davon schleppte sich
mühsam ein dunkelgelbes Wasser fort, das aber ungemein süße
Düfte verbreitete und an dessen Ufer allerlei sehr hübsche Kinderchen
saßen, welche kleine dicke Fische angelten und sie alsdann verzehrten.
Näher gekommen, bemerkte Marie, dass diese Fische aussahen wie
Lampertsnüsse. In einiger Entfernung lag ein sehr nettes Dörfchen an
diesem Strome, Häuser, Kirche, Pfarrhaus, Scheuern, alles war dunkelbraun,
jedoch mit goldenen Dächern geschmückt, auch waren viele Mauern so
bunt gemalt, als seien Zitronat und Mandelkerne darauf geklebt. "Das ist
Pfefferkuchenheim," sagte Nussknacker, "welches am Honigstrome liegt,
es wohnen ganz hübsche Leute darin, aber sie sind meistens
verdrießlich, weil sie sehr an Zahnschmerzen leiden, wir wollen daher
nicht erst hineingehen." In dem Augenblick bemerkte Marie ein
Städtchen, das aus lauter bunten durchsichtigen Häusern bestand und
sehr hübsch anzusehen war. Nussknacker ging gerade zu darauf los, und nun
hörte Marie ein tolles lustiges Getöse und sah, wie tausend niedliche
kleine Leutchen viele hoch bepackte Wagen, die auf dem Markte hielten,
untersuchten und abzupacken im Begriff standen. Was sie aber hervorbrachten,
war anzusehen wie buntes gefärbtes Papier und wie Schokoladentafeln.
"Wir sind in Bonbonhausen," sagte der Nussknacker, "eben ist
eine Sendung aus dem Papierlande und vom Schokoladenkönig angekommen. Die
armen Bonbonhäuser wurden neulich von der Armee des Mückenadmirals
hart bedroht, deshalb überziehen sie ihre Häuser mit den Gaben des
Papierlandes und führen Schanzen auf von den tüchtigen
Werkstücken, die ihnen der Schokoladenkönig sandte. Aber, beste
Demoiselle Stahlbaum, nicht alle kleinen Städte und Dörfer diese
Landes wollen wir besuchen - zur Hauptstadt - zur Hauptstadt!" Rasch eilte
Nussknacker vorwärts und Marie voller Neugierde ihm nach. Nicht lange
dauerte es, so stieg ein herrlicher Rosenduft auf, und alles war wie von einem
sanften hinhauchenden Rosenschimmer umflossen. Marie bemerkte, dass dies der
Widerschein eines rosenrot glänzenden Wassers war, das in kleinen
rosasilbernen Wellchen vor ihnen her wie in wunderlieblichen Tönen und
Melodien plätscherten und rauschten. Auf diesem anmutigen Gewässer,
das sich immer mehr und mehr wie ein großer See ausbreitete, schwammen
sehr herrliche silberweiße Schwäne mit goldnen Halsbändern und
sangen miteinander um die Wette die hübschesten Lieder, wozu diamantne
Fischlein aus den Rosenfluten auf und nieder tauchten wie im lustigen Tanze.
"Ach," rief Marie ganz begeistert aus, "ach, das ist der See,
wie ihn Pate Drosselmeier mir einst machen wollte, wirklich, und ich selbst bin
das Mädchen, das mit den lieben Schwänchen kosen wird."
Nussknackerchen lächelte so spöttisch, wie es Marie niemals an ihm
bemerkt hatte, und sprach dann: "So etwas kann denn doch wohl der Onkel
niemals zustande bringen; Sie selbst viel eher, liebe Demoiselle Stahlbaum.
Doch lassen Sie uns darüber nicht grübeln, sondern vielmehr über
den Rosensee hinüber nach der Hauptstadt schiffen."
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