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Der
Tannenbaum
Weihnachtsmärchen
von Hans Christian Andersen ( 1805 bis 1875 )
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Draußen
im Walde stand ein niedlicher kleiner Tannenbaum; er hatte einen guten Platz,
Sonne konnte er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher wuchsen viele
größere Kameraden, sowohl Tannen als Fichten. Aber dem kleinen
Tannenbaum schien nichts so wichtig als das Wachsen; er achtete nicht der
warmen Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die
Bauerkinder, die da gingen und plauderten, wenn sie herausgekommen waren, um
Erdbeeren und Himbeeren zu sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll
oder hatten Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich neben
den kleinen Tannenbaum und sagten: "Wie niedlich klein ist der!" Das
mochte der Baum gar nicht hören.
Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer, und das Jahr
darauf war er um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen kann man
immer an den vielen Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie
gewachsen sind.
"O wäre ich doch so ein großer Baum wie die anderen!"
seufzte das kleine Bäumchen. "Dann könnte ich meine Zweige so
weit umher ausbreiten und mit der Krone in die weite Welt hinausblicken! Die
Vögel würden dann Nester zwischen meinen Zweigen bauen, und wenn der
Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie die andern dort!"
Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und den roten
Wolken, die Morgens und Abends über ihn hinsegelten. War es nun Winter,
und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß, so kam häufig ein Hase
angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg. O, das war
ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen und im dritten war das Bäumchen
so groß, dass der Hase um dasselbe herumlaufen musste. "O wachsen,
wachsen, groß und alt werden, das ist doch das einzige Schöne in
dieser Welt!" dachte der Baum.
Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten
Bäume; das geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der nun ganz gut
gewachsen war, schauderte dabei; denn die großen, prächtigen
Bäume fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die Zweige wurden
abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang und schmal aus; sie waren fast
nicht zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt und Pferde zogen sie
davon, aus dem Walde hinaus.
Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?
Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte der Baum:
"Wisst ihr nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen
begegnet?"
Die Schwalben wussten nichts, aber der Storch sah nachdenkend aus, nickte mit
dem Kopfe und sagte: "Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue
Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige
Mastbäume; ich darf annehmen, dass sie es waren, sie hatten Tannengeruch;
ich kann vielmals grüßen, sie prangen, sie prangen!"
O wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren zu
können! Was ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es aus?"
"Ja, das ist weitläufig zu erklären!" sagte der Storch und
damit ging er.
"Freue dich deiner Jugend!" sagten die Sonnenstrahlen; "freue
dich deines frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!" Und
der Wind küsste den Baum, und der Tau weinte Tränen über
denselben, aber das verstand der Tannenbaum nicht.
Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume
gefällt, Bäume, die nicht einmal so groß oder gleichen Alters
mit diesem Tannenbaume waren, der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer
davon wollte; diese jungen Bäume, und es waren gerade die
allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige, sie wurden auf Wagen
gelegt und Pferde zogen sie von dannen zum Walde hinaus.
"Wohin sollen diese?" fragte der Tannenbaum. "Sie sind nicht
größer als ich, Einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie
alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?"
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