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Der
allererste Weihnachtsbaum
Weihnachtsgeschichte
von Hermann Löns ( 1866 bis 1914 )
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Der
Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer
Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm auf lief, merkte das und schlich
hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es
war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und
Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl
darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es,
das taten sie aber nur selten. Den ganzen Dezembermonat hatte der
Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues
erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die
Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen
teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er
hatten so und soviel auszugeben und mehr nicht.
So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzwege
war, dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich
nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein
war dort. Das Christkindchen hatte ein langes, weißes Pelzkleidchen an
und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große
Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen - und Weidenzweige, und daran
taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar
für die Sauen gab es etwas, Kastanien, Eicheln und Rüben.
Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die
Tageszeit. "Na, Alterchen, wie geht`s?" fragte das Christkind,
"hast wohl schlechte Laune?" Damit hakte es den Alten unter und ging
mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr
betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
"Ja," sagte der Weihnachtsmann, "die ganze Sache macht mir so
recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich
weiß nicht, ich hab` kein Fiduz mehr dazu. Das mit den Pfefferkuchen und
den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und
dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das
nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei Alt und Jung singt und
lacht und fröhlich wird."
Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es:
"Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe
daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht."
"Das ist es ja gerade," knurrte der Weihnachtsmann, "ich bin zu
alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh von dem alten
Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so
weiter geht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein
Fest wie alle anderen, vor dem die Menschen dann weiter nichts haben, als
faulenzen, Essen und Trinken."
Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann
mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesichte. Es war so still
im Walde, kein Zweig rührte sich, nur, wenn die Eule sich auf einen Ast
setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die
beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holze auf einen alten Kahlschlag,
auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah nun wunderschön
aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus
wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, dass es eine
Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrunde
stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen,
hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine
Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmanns los, stieß den
Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: "Ist das nicht
wunderhübsch?"
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