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Weihnacht
in Winkelsteg
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger ( 1843 bis 1918 )
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In
der heiligen Christnacht sind die Leute schon wieder von allen Seiten
herbeigekommen. Die von den Spanlunten abgefallenen Glühkohlen sind lustig
hingeglitten über die Schneekruste wie Sternschnuppen.
Viele Wäldler sind in ihrer Sehnsucht nach der mitternächtigen Feier
ein gut Stück zu früh daran. Da die Kirche noch nicht aufgesperrt und
es im Freien kalt ist, so kommen sie zu mir in das Schulhaus. Ich schlage Licht
und da ist bald die ganz Schulstube voll Menschen. die Weiber haben
weiße, bandartig zusammengelegte Tücher um das Kinn und über
die Ohren hinaufgebunden. Sie huschen recht um den Ofen herum und blasen in die
Finger, um das Frostwehen zu verblasen.
die Männer halten sich fest in ihren Lodengewändern verwahrt. Sie
behalten die Hüte auf den Köpfen, sitzen auf den Tischbrettern der
Schulbänke und besehen mit wichtigtuender Bedächtigkeit die
Lehrgegenstände, welche die Jüngeren den Älteren erklären.
Einige gehen auch über den Boden auf und ab und schlagen bei jedem Schritt
die gefrorenen Schuhe aneinander, dass es klappert. Fast alle rauchen aus ihren
Pfeifen. Der Urwald ist auszurotten, aber das Tabakrauchen nimmer.
Ich kleide mich rasch an, ich soll in der Kirche doch der erste sein.
Jählings klopft es sehr stark an meine Tür. Die Waldleute klopfen
nicht; wer ist es also? Eine weiße Schafwollenhaube guckt herein und
unter der Haube steckt ein alter Runzelkopf mit schneeweißen
Lockensträhnen. Also gleich erkenne ich den Waldsänger. Heute
trägt er einen gar langen Rock, der bis zu den Waden hinabgeht und mit
Messinghäkchen zugeknöpft ist. Darüber hängt ein
Schnappsack und eine Seitenpfeife; und auf einen Hirtenstab stützt sich
der Alte und seinen braunen, weltumfassenden Hut hält er in den
Händen. dieser Hut ist seine Hütte und sein Heim und seine ganze
Welt. Ein guter Hut, denkt er, ist das beste im Weltgetümmel; und der Erde
Hut nennen sie den Himmel. "Was hocket Ihr denn da, Ihr
Bärenhäuter!" ruft der Rüpel laut und lustig,
"draußen scheint schon lang die Sonnen! - Gelobt sei der Herr; und
ich bring euch die wundersame Mär, die sich heut zugetragen hat drunten in
der Bethlehemstadt. Hört ihr keine Schalmei und kein Freudengeschrei? So
luget zum Fenster hinaus; taghell beleuchtet ist jedes Haus!"
Die Leute stecken richtig die Köpfe zu den Fenstern; aber da ist nichts
als der finstere Wald und der Sternenhimmel. - Was sollten sie ansonsten denn
noch sehen? Der Alte guckt schmunzelnd nach links und nach rechts, wie viel er
wohl Zuhörer habe. So nach stellt er sich mitten in die Stube hin, pocht
mit dem Stocke mehrmals auf den Fußboden und hebt so an zu reden:
"Da steh ich allein draußen auf der Heid und schau schläfrig
herum weit und breit und treib mein Schäflein zusamm; hab dabei gehabt ein
wutzerfeists Lamm. Und wie ich das anschau eine Weil, da hör ich ein Ghetz
und ein Gschall, grad hoch in der Luft, es ist wahr; und sie musizieren sogar.
Ich hab nit gewusst, was das bedeut't und wer denn da tobt voller Freud. Die
Lämmlein sein gsprungen drauf, eins nach dem andern auf; das feiste hat so
lieblich plärrt, wie es das Wunder hat gehört. Drauf seh ich - hab
gmeint, `s ist ein' Mär - kleine Bubn fliegen in Lüften umher. - Ein
Engel fliegt grad auf mich zua, den frag ich: Was gibt's denn heut, Bua? Da
schreit es gleich lustig und froh:"Gloria in excelsis Deo!" - Das
kunnt ich, mein Eid, nicht verstehn: Geh, Bübel, musst deutsch mit mir
redn; ich bin ein armer Hirt in der Gmein und die Lämmlein können
auch nit Latein. - "So mach sich der Hirt nur geschwind auf und geh er
nach Bethlehem drauf, dort wird er finden ein neugebornes Kindelein; ja gar ein
wunderschön Kind liegt zwischen Esel und Rind. Nicht in einem
Königsaal, nur in einem Ochsenstall, nur in einem Ochsenstall liegt unser
eingefatschter Gott, der uns hilft in aller Not."
Das ist des alten Sängers "Botschaft", die er während der
Weihnachtszeit in allen Häusern verkündet.
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