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Kapitelanfang des Weihnachtsmärchen ]
schmausen, bin ja auch Königin - gib mir von dem Brätlein!" -
Die Königin wusste wohl, dass es Frau Mauserinks war, die also sprach.
Frau Mauserinks wohnte schon seit vielen Jahren in des Königs Palast. Sie
behauptete, mit der königlichen Familie verwandt und selbst Königin
in dem Reiche Mausolien zu sein, deshalb hatte sie auch eine große
Hofhaltung unter dem Herde. Die Königin war eine gute mildtätige
Frau, wollte sie daher auch sonst Frau Mauserinks nicht gerade als Königin
und als ihre Schwester anerkennen, so gönne sie ihr doch von Herzen an dem
festlichen Tage die Schmauserei und rief: "Kommt nur hervor, Frau
Mauserinks, Ihr möget immerhin von meinem Speck genießen." Da
kam auch Frau Mauserinks sehr schnell und lustig hervorgehüpft, sprang auf
den Herd und ergriff mit den zierlichen kleinen Pfötchen ein
Stückchen Speck nach dem anderen, das ihr die Königin hinlangte. Aber
nun kamen alle Gevattern und Muhmen der Frau Mauserinks hervorgesprungen und
auch sogar ihre sieben Söhne, recht unartige Schlingel, die machten sich
über den Speck her, und nicht wehren konnte ihnen die erschrockene
Königin. Zum Glück kam die Oberhofmeisterin dazu und verjagte die
zudringlichen Gäste, so dass noch etwas Speck übrig blieb, welcher
nach Anweisung des herbeigerufenen Hofmathematikers sehr künstlich auf
alle Würste verteilt wurde. - Pauken und Trompeten erschallten, alle
anwesenden Potentaten und Prinzen zogen in glänzenden Feierkleidern zum
Teil auf weißen Zeltern, zum Teil in kristallnen Kutschen zum
Wurstschmaus. Der König empfing sie mit herzlicher Freundlichkeit und Huld
und setzte sich dann, als Landesherr, mit Kron` und Zepter angetan, an die
Spitze des Tisches. Schon in der Station der Leberwürste sah man, wie der
König immer mehr und mehr erblasste, wie er die Augen gen Himmel hob -
leise Seufzer entflohen seiner Brust - ein gewaltiger Schmerz schien in seinem
Innern zu wühlen! Doch in der Station der Blutwürste sank er, laut
schluchzend und ächzend, in den Lehnsessel zurück, er hielt beide
Hände vors Gesicht, er jammerte und stöhnte. - Alles sprang auf von
der Tafel, der Leibarzt bemühte sich vergebens, des unglücklichen
Königs Puls zu erfassen, ein tiefer, namenloser Jammer schien ihn zu
zerreißen. Endlich, endlich, nach vielem Zureden, nach Anwendung starker
Mittel, als da sind gebrannte Federposen und dergleichen, schien der König
etwas zu sich selbst zu kommen, er stammelte kaum hörbar die Worte:
"Zu wenig Speck." Da warf sich die Königin trostlos ihm zu
Füßen und schluchzte: "O mein armer unglücklicher
königlicher Gemahl! O welchen Schmerz mussten Sie dulden! - Aber sehen Sie
hier die Schuldige zu ihren Füßen - strafen, strafen Sie sie hart! -
Ach - Frau Mauserinks mit ihren sieben Söhnen, Gevattern und Muhmen hat
den Speck aufgefressen und` - damit fiel die Königin rücklings
über in Ohnmacht. Aber der König sprang voller Zorn auf und rief
laut: "Oberhofmeisterin, wie ging das zu?" Die Oberhofmeisterin
erzählte, soviel sie wusste, und der König beschloss, Rache zu nehmen
an der Frau Mauserinks und ihrer Familie, die ihm den Speck aus der Wurst
weggefressen hatten. Der Geheime Staatsrat wurde berufen, man beschloss, der
Frau Mauserinks den Prozess zu machen und ihre sämtliche Güter
einzuziehen; da aber der König meinte, dass sie unterdessen ihm doch noch
immer den Speck wegfressen könnte, so wurde die ganze Sache dem
Hofuhrmacher und Urkanisten übertragen. Dieser Mann, der ebenso hieß
als ich, nämlich Christian Elias Drosselmeier, versprach durch eine ganz
besonders staatskluge Operation die Frau Mauserinks mit ihrer Familie auf ewige
Zeiten aus dem Palast zu vertreiben. Er erfand auch wirklich kleine, sehr
künstliche Maschinen, in die an einem Fädchen gebundener Speck getan
wurde, und die Drosselmeier rings um die Wohnung der Frau Speckfresserin
aufstellte. Frau Mauserinks war viel zu weise, um nicht Drosselmeiers List
einzusehen, aber alle ihre Warnungen, alle ihre Vorstellungen halfen nichts,
von dem süßen Geruch des gebratenen Specks verlockt, gingen alle
sieben Söhne und viele, viele Gevattern und Muhmen der Frau Mauserinks in
Drosselmeiers Maschinen hinein und wurden, als die eben den Speck wegnaschen
wollten, durch ein plötzlich vorfallendes Gitter gefangen, dann aber in
der Küche selbst schmachvoll hingerichtet. Frau Mauserinks verließ
mit ihrem kleinen Häufchen den Ort des Schreckens. Gram, Verzweiflung,
Rache erfüllte ihre Brust. Der Hof jubelte sehr, aber die Königin war
besorgt, weil sie die Gemütsart
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