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Chamäleon
Ein
Weihnachtsmärchen.
Weihnachtsmärchen
von Moritz Barach (1818 bis 1888)
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An
einem stürmischen, regnerischen Dezemberabend saß ein junger
hübscher Mann in seiner kleinen Stube, und war eben damit fertig geworden,
den Christbaum für seine zwei jüngeren, noch unmündigen
Geschwister auszuschmücken.
Sinnend weilte sein Blick auf dem mit Streifen, Schlingen, Ketten und
Körbchen aus farbigen Papier gezierten Bäumchen, an das er mit
Bindfaden die bunten kleinen Sächelchen geheftet hatte, die er heimlich,
wie er das ganze Werk betrieb, schon seit einer Woche eingekauft hatte.
Wie er so den Eindruck des Ganzen in sich faßte, tat es ihm wohl, wenn er
der herzinnigen Freude gedachte, welche von diesem Bäumchen mit dem
Geflatter lustiger Vögel auf seine Geschwister einstürmen sollte.
Aber plötzlich strich eine Wolke der Wehmut über die hohe, edle Stirn
des jungen Mannes, und feucht wurden seine Augen.
Es war ihm als hinge mitten unter dem schimmernden, flimmernden Kram des
harzduftenden Bäumchens seine eigene Jugend, und blinkte ihm im Schein der
Erinnerung wie ein Geschenk des heiligen Christ entgegen.
"Wie schön war jene Zeit!" murmelte er. "Wie glücklich
war ich! ... Ach! damals lebte mein guter, guter Vater noch! Damals standen
Mutter, und Else und Fricke noch nicht allein auf der weiten Welt, und die
Sorgen um sie preßte mir noch nicht das Herz zusammen, und ich
wußte noch nicht, wie schwer es einem wird, im Tumulte der ringenden Welt
nicht nur sich und anderen, die man liebt, das Leben zu fristen! ..."
Tief seufzte er auf und krampfhaft ballten sich seine Hände.
Wild begannen die Gedanken in seinem Gehirn zu toben.
Wie gering, wie mühsam erkämpft waren die bisherigen Resultate seiner
rastlosen Studien und Bestrebungen! ...
Wie fühlte er sich zurückgesetzt, je entehrt gegen andere, die ihm an
Talent, Kenntnis und Triebkraft weit, weit nachstanden, und auf
verächtlichen Winkel- und Seitenwegen ihm längst zuvorgekommen waren,
und höhnisch auf ihn blickten, der sich vorgenommen den Weg des
Verdienstes zu gehen, der so weit, so unendlich lang ist, bis er ans Ziel
führt! ... Eine fieberhafte Röte stieg in die seinen, durchsichtigen
Wangen des jungen Mannes, Kühlung suchend fuhr er mit der kalten Hand
über die glühend heiße Stirne und träumerisch, fast irre,
starrte er vor sich hin.
Da war es ihm als kicherte es in seiner Nähe, aber mit einer so kleinen,
dünnen Stimme, als käme sie von einem Kind, das nicht
größer als sein Gliederpüppchen sein könnte. Zugleich sah
er, wie der Deckel eines kleinen, bemalten Kistchens aufsprang, das er mit
anderen Spielsachen zuletzt an den Baum befestigt hatte.
Das an einer Feder im Bodens des Kistchens befestigte Männlein sprang in
die Höhe und sah ihn freundlich grinsend an.
War das ein sonderbares Männchen!
Es war in altspanischer Hoftracht gekleidet, trug ein blutrotes,
goldverbrämtes Samtmäntelchen, ein schwarzes Hütlein mit
wehender, schimmernder Feder, und einen Degen mit einem smaragdenem Griff.
Das Gesicht aber des Figürchens war das merkwürdige daran.
Es war schön, und widerlich zugleich, es schien zu lächeln und
grimmig zu drohen, es trug den Ausdruck lustiger Verschmitztheit und
düsterer Begierde, es weckte Vertrauen und erregte Furcht und Entsetzen.
Dieses Gesicht trug ein merkwürdiges Gemisch kontrastierender
Ausdrücke in sich, daß es Schwindel erregte, wenn man es scharf und
in seiner totalität erfaßen wollte.
Was aber diesem Antlitze und der ganzen Gestalt vollends den Charakter des
Unheimlichen, Geisterhaften, und sagen wir lieber des dämonischen verlieh,
das waren die kleinen stechenden, tierklugen, leuchtenden Augen, welche ruhelos
in allen Farben spielten.
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