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Das
Geheimnis der Mischung
Weihnachtsgeschichte
von Ludwig Ganghofer - Seite 2
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Stelle gefunden. Der gute Herrgott hatte ihm ein gutes Weib und gesunde lustige
Kinder beschert - ja, was wollte er denn noch mehr? Ein wenig knapp ging es
freilich her zu Hause; aber wenn da nun auch ein paar kleine
Rückstände bei den unentbehrlichen Handwerksleuten nicht zu vermeiden
waren - er hatte ja nur eine kurze Woche noch auf den Neujahrstag zu warten, an
welchem Herr Seydelmann für den Glückwunsch jedes Beamten und
Arbeiters mit einem ganzen Monatsgehalte zu danken pflegte. Und diesen Herrn,
der ihm erst vor acht Tagen den größten Beweis seines Vertrauens
gegeben hatte, den hätte er verraten und verkaufen sollen? Bei diesem
Gedanken warf Schaller die geballten Fäuste so zornig in die Höhe,
dass ein altes Mütterlein, welches ihm gerade entgegenkam, sich
erschrocken vom Fußsteig auf die offene Straße flüchtete.
Bald erreichte er sein Heim, weit draußen in einer stillen Vorstadtgasse.
Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steilen Treppen hinauf.
Seine schmucke blonde Frau empfing ihn. "Grüß dich Gott,
Robert!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an, denn sie las es ihm
gleich vom Gesicht, dass irgend etwas nicht in Ordnung war. Diese Wahrnehmung
aber verschwieg sie ihm. Sie fasste seinen Arm und zog ihn gegen die Stube.
"Komm nur, kannst mir gleich die Kerzen aufstecken helfen. Die Kinder
wollen schier nimmer warten. Sie schreien wie die Wilden, und der armen
Großmutter haben sie schon alle Falten vom Rock heruntergerissen."
Sie traten in das Zimmer, welches, von einer Hängelampe erhellt, trotz
seiner dürftigen Ausstattung einen behaglichen, freundlichen Eindruck
machte. Der Tisch war schon zum Abendessen gedeckt und seitwärts, auf
einem niederen Kasten, stand der kleine, nicht allzu schwer behängte
Christbaum, unter welchem die kärglichen Weihnachtsgaben für die
Großmutter und die Kinder ausgebreitet waren. Sie redeten eine Weile
über diese Sachen und Sächelchen hin und her; dann begannen sie die
Kerzen aufzustecken, während aus dem anstoßenden Zimmer der
übermütige Jubel der drei "Wilden" sich hören
ließ.
"Robert, mit kommt's vor, als hättest heut einen Verdruss
gehabt?" fragte nach einer Weile die junge Frau. "Gott bewahr!"
brummte er und schüttelte den Kopf. Sie fragte nicht weiter, denn sie
kannte ihn - und da kam's denn nach kurzen Minuten von selbst aus ihm heraus,
diese Kaffeehausgeschichte. "Heute Nachmittag, gerad wie ich aus der
Fabrik hab' fort wollen, hat mir einer einen Brief geschickt, ich soll zu ihm
ins Kaffeehaus kommen, weil er mit eine wichtige Mitteilung zu machen
hätt'."
"Und bist hingegangen?"
Natürlich war er hingegangen und hatte dort jenen vornehmen Herrn
gefunden, der sich ihm als Besitzer einer großen Porzellanfabrik genannt
hatte. Da war es nun bald aufgekommen, dass Schaller eine wichtige Mitteilung
nicht empfangen, sondern geben, verkaufen sollte. Die Fabrik, in der er
arbeitete, lieferte neben anderen einschlägigen Waren eine gewisse
Majolikasorte, welche den reißenden Absatz, den sie gefunden, der
tadellosen Schönheit und mit unvergleichlichen Schmelz ihrer Farben
verdankte. Viele Fabriken hatten es versucht, den gangbaren Artikel
nachzumachen; aber wenn auch die zur Erzeugung dieser Schmelzfarben
nötigen Stoffe bekannt waren, so vermochte doch keiner der Nachahmer die
richtige Mischung zu treffen. Diese war das wohlbewahrte Geheimnis der
Seydelmannschen Fabrik geblieben; denn außer dem Besitzer der Fabrik
kannte diese Geheimnis nur noch ein einziger alter Arbeiter, der in einem
verschlossenen Raume die Mischung vornahm. Dieser Arbeiter war nun vor acht
Tagen einer jähen Krankheit erlegen und Robert Schaller war an seine
Stelle getreten.
"Und wie mir damals am vorigen Samstag der Herr alles gesagt hat, was ich
zu meiner neuen Arbeit hab' wissen müssen, hat er kein Versprechen, kein
Wort und keinen Schwur von mir verlangt. Sie sind ein braver, tüchtiger
Mensch, ich habe Vertrauen zu Ihnen und ich weiß, dass sie meine gute
Meinung nicht täuschen werden. Das war alles, was er gesagt hat. Kaum acht
Tage sind's her, seit ich von der Schmelzerei ins Laboratorium gekommen bin;
und jetzt hat sich heut schon der Kerl da an mich angeheftet und hat gemeint,
er braucht' nur seine
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