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Das
Geheimnis der Mischung
Weihnachtsgeschichte
von Ludwig Ganghofer (1855 bis 1920)
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Während
draußen vor den Fenstern die Menschen in schwarzem Gedränge sich
vorüberschoben, als wäre die ganze Stadt in Bewegung und Aufruhr,
lagerte die Stimmung schläfriger Langweile innerhalb der grell
erleuchteten Mauern eines geräumigen Kaffeehauses. Nur zwei von den
wenigen Gästen schienen diese Stimmung nicht zu teilen. Sie saßen in
einer Ecke des weiten Saales an einem kleinen Tisch. Der eine von ihnen, der in
seinem Äußern den vermöglichen Mann verriet, trug schon das
Grau des Alters über der hohen Stirne. Ruhiger Ernst war der Ausdruck
seines glattrasierten Gesichtes und seine stahlblauen Augen hafteten mit
gespannt forschenden Blicken auf den heftig erregten, wie in Fieberröte
brennenden Zügen seines Gegenübers. Das war ein Mann von etwa
fünfunddreißig Jahren, eine stramme, kräftig entwickelte
Gestalt. Ein weiches Gemüt und die feste Entschlossenheit des erprobten
Arbeiters sprachen in seltsamer Mischung aus seinem Gesichte, das von braunen,
struppigen Haaren umrahmt war. So saßen sich die beiden wortlos
gegenüber.
Endlich brach der Ältere das Schweigen: "Nun, Herr Schaller? Wissen
Sie denn gar keine Antwort zu finden?" Wie erschrocken fuhr der Angeredete
mit dem Kopf in die Höhe. "Nein, nein und nein! Ich tu's nicht - und
wenn sie mir eine Millionen anbieten - ich tu's nicht! Das war mein erstes
Wort, und das ist auch mein letztes!" "So seien sie doch
vernünftig, Schaller, und - sprechen sie ein wenig leiser. Ich streite ja
nicht gegen Ihre Gewissenhaftigkeit - im Gegenteil, sie gefällt mir - ;
aber praktisch sein, ist auch eine schöne Sache. Und übrigens, ich
will ja nicht verlangen, dass Sie mir das Geheimnis geradewegs verkaufen
sollen. Gott bewahre! Mir ist es nicht um das zu tun, was Sie seit acht Tagen
wissen, sondern um Sie selbst, lieber Schaller. Sie sind ein kluger Kopf und
ein besonders tüchtiger Arbeiter. Solche Leute kann ich brauchen in meiner
Fabrik; sie sind mir Gold wert. Seien Sie vernünftig, kommen Sie zu mir,
ich biete Ihnen die Inspektorstelle in meiner Fabrik an. Ich gebe Ihnen das
Doppelte von dem, was Sie bei Seydelmann & Komp. beziehen, und mache mit
Ihnen einen zehnjährigen Vertrag, mit jährlich steigendem
Gehalt."
Auf dem Gesichte den jungen Mannes wechselte Röte und Blässe. Er
musste jedes dieser langsam und eindringlich gesprochene Worte vernommen haben
und dennoch hingen seine Blicke wie geistesverloren an den drei elfenbeinernen
Kugeln, die auf dem nächsten Billardtisch inmitten des grünen Tuches
lagen. Und da kam es ihm vor, als wären die beiden weißen Kugeln die
zarten, lieben Gesichter seiner zwei kleinen Mädchen, und die rote Kugel
erschien ihm wie das gesunde, pausbäckige Gesicht seines herzliebsten
Buben. Und diese drei Gesichter schauten ihn an mit großen,
ängstlichen Augen und diese Augen schienen zu sprechen: "Vater, um
Gottes willen, Vater, lass dir nur ja nichts einreden von dem schlechten Kerl!
Schau, was hättest denn davon, wenn du einen Haufen Geld im Kasten liegen
hättest und könntest deinen Kindern und der Mutter nimmer grad in die
Augen schauen! Lass dir nichts einreden Vater!" Mit einem jähen Ruck
sprang der junge Mann von seinem Stuhl empor, streckte das zorngerötete
Gesicht mit den blinzelnden Augen weit über den Tisch und stammelte mit
heiserer Stimme: "Und das Weitere, meinen Sie, das wird sich dann schon
finden? Wenn Sie mich erst mal auf zehn Jahre in Ihren Händen hätten,
dann könnten Sie mich schon so lange kneten und bearbeiten, dass mir
schließlich nichts andres übrig bliebe, als ein Schuft zu werden und
Ihnen das Fabrikationsgeheimnis meines jetzigen Herrn zu verraten."
Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über die gesträubten
Haare, stapfte mit langen Schritten davon und schoss zur Türe hinaus. Die
Augen auf das beschneite Pflaster gesenkt, so stürmte er heimwärts.
Bilder der Erinnerung huschten an seiner Seele vorüber. Er dachte an die
Lehrlingszeit zurück, die er in einem chemischen Laboratorium durchgemacht
hatte, und an die ersten Gesellenjahre, die er weit von der Heimat in einem
großen Glaswerk verbrachte. Dann war er heimgekommen und hatte in der
Seydelmannschen Majolikafabrik eine sichere
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