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Der
kleinen Margret war's in Wahrheit, als sei sie gestorben und wache nun auf im
Himmel, als sie ihre Augen wieder aufschlug und in einer schönen Stube in
einem weichen, warmen Bett lag; neben ihr saß die freundliche Frau Soden
und in ihrem Lehnstuhl am Bett Gabriele, die durchaus sehen wollte, wie ihr
Schwesterlein aufwache. "Ja, was ist's denn? wo bin ich denn?" fragte
sie fast ängstlich. "Bei mir bist du," lachte Gabrielchen
herzlich, wie sie die Mutter schon lange nicht hatte lachen hören.
"Jette soll dir Frühstück bringen!"
Das Kind war bald wieder gesund und rotbackiger als vorher in der Stube der
Wäscherin. Gabriele wollte ihr neues Schwesterlein nicht wieder hergeben,
und die Eltern waren glücklich, wenn sie nur etwas wussten, das ihr
krankes Kind glücklich machte.
Frau Bendel war nun freilich sehr in Sorge gekommen um das kleine Mädchen,
als sie die Stube leer gefunden und niemand ihr etwas von dem Kinde sagen
konnte. In ihrer Angst ging sie auf die Polizei; dort hatte Herr Soden schon
angezeigt, dass er ein verlaufenes Kind einstweilen in seinem Haus aufgenommen
habe, und der alte Polizeidiener mit den Maulaffen führte die
Wäscherin selbst in des Kaufmanns Haus. Da kam Margretchen in große
Angst, sie müsse jetzt mit der Wäscherin zurück in die enge
Gasse und in die dunkle Stube und es werde ihr schlecht gehen, weil sie noch
einmal fortgelaufen. Inzwischen hatte Herr Soden mit der Wäscherin geredet
und gehört, dass Margret das Kind von dem treuen Diener seines Vaters sei,
der in seinem Dienst verunglückt war. Um so lieber nun sagte er der Frau
Bendel und dem Polizeidiener, dass er die Kleine ganz behalten wolle als ein
Schwesterlein für sein krankes Kind.
Margretchen war glückselig. Ihr war in ihrem Leben nicht so wohl gewesen,
als bei den guten, freundlichen Leuten in den hellen, weiten Räumen und
bei all den schönen Sachen. Das wusste sie, dass man Gott und gute
Menschen nicht besser danken kann, als durch Liebe und Gehorsam. So wurde sie
eine freundliche, gefällige und geduldige Schwester für Gabriele.
Ach, wie schön konnte sie die Puppen anziehen; was kochten die
Mädchen für herrliche Gastmahle in der kleinen Küche! Es wurde
dann die ganze Puppenfamilie dazu geladen, die lehnte steif und kerzengerade
auf den Stühlen, während die kleinen Köchinnen die Mahlzeit
selbst verzehrten. Jetzt erst fand Gabriele Freude an ihren Sachen.
Die Eltern hofften eine Weile, ihr Gabrielche werde nun wieder ganz gesund,
weil sie so froh und glücklich war mit der neuen Schwester. Aber der liebe
Gott hatte ihr noch ein viel glücklicheres Plätzchen zugedacht.
Gabriele wurde zusehends schwächer, während Margretchen
aufblühte wie ein Röslein. Im Frühling trugen sie die Kranke ein
letztes Mal in den Garten; man hatte ihr einen weichen Sitz zwischen den
Blumenstöcken bereitet. "Margretchen," sagte Gabriele leise, als
die Mutter ins Haus gegangen war, um ihr eine Erfrischung zu holen,
"Margretchen, ich weiß, dass ich jetzt bald in den Himmel komme; ich
will's nur nicht laut sagen, weil die Mama so weint. Vielleicht sehe ich deine
liebe Mama im Himmel, was soll ich ihr sagen?"
"O, sag ihr viel tausend herzliche Grüße und dem Vater auch,
und es gehe mir so gut und sie sollen nur recht lieb gegen dich sein, weil du
so gut gegen mich gewesen bist. Weißt, im Himmel ist meine Mama nicht
mehr arm," sagte sie beruhigend. An einem schönen Abend war das Kind
sanft eingeschlafen und es hat ihr nun gar, gar nichts mehr weh getan. Sie
schmückten ihr Grab mit den allerschönsten Blumen, recht wie ein
schönes Gärtchen.
Margret war eine liebe, treue Tochter für die armen Eltern und oft, oft
redete sie mit der neuen Mutter von ihrer lieben Schwester im Himmel.
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