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Als
ich Christtagsfreude holen ging
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger - Seite 4
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Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
Mittlerweile war es Mittagszeit geworden. Durch den Nebel war die
milchweiße Scheibe der Sonne zu sehen; sie war nicht hoch an dem Himmel
hinaufgestiegen, denn um vier Uhr wollte sie ja wieder unten sein, zur langen
Christnacht. Ich fühlte in den Beinen manchmal so ein heißes
Prickeln, das bis in die Brust heraufstieg, es zitterten mir die Glieder. Nicht
weit von der Stelle, wo der Weg nach Alpel abzweigte, stand ein Kreuz mit dem
lebensgroßen Bildnis des Heilands. Es stand wie es heute noch steht, an
seinem Fuß Johannes und Magdalena, das Ganze mit einem Bretterverschlag
verwahrt, so daß es wie ein Kapelle war. Vor dem Kreuz auf die Bank, die
für kniende Beter bestimmt ist, setzte ich mich nieder, um Mittag zu
halten. Eine Semmel, die gehörte mir, meine Neigung zu ihr war so
groß, daß ich sie am liebsten in wenigen Bissen verschluckt
hätte. Allein das schnelle Schlucken ist nicht gesund, das wußte ich
von anderen Leuten, und das langsame Essen macht einen längeren
Genuß, das wußte ich schon von mir selber. Also beschloß ich,
die Semmel recht gemächlich und bedächtig zu genießen, und
dazwischen manchmal eine gedörrte Zwetschge zu naschen.
Es war eine sehr köstliche Mahlzeit; wenn ich heute etwas recht gutes
haben will, das kostet außerordentliche Anstrengungen aller Art; ach,
wenn man nie und nie einen Mangel zu leiden hat, wie ist man da arm!
Und wie war ich so reich damals, als ich arm war!
Als ich nach der Mahlzeit mein Doppelbündel wieder auflud, war's ein
Spaß mit ihm, flink ging es voran. Als ich später in die
Bergwälder hinaufkam, und der graue Nebel dicht in den schneebeschwerten
Bäumen hing, dachte ich an den Grabler Hansel. Das war der
Kohlenführer, der täglich von Apsel seine Fuhre ins Mürztal
lieferte. Wenn er auch heute gefahren wäre! Und wenn er jetzt
heimwärts mit dem leeren Schlitten des Weges käme und mir das
Bündel auflüde! Und am Ende gar mich selber! Daß es so
heiß sein kann im Winter! Mitten in Schnee und Eisschollen schwitzen!
Doch morgen wird alle Mühsal vergessen sein. - Derlei Gedanken und
Vorstellungen verkürzten mir unterwegs die Zeit.
Auf einmal roch ich starken Tabakrauch. Knapp hinter mir ging - ganz leise
auftretend - der grüne Kilian. Der Kilian war früher einige Zeit lang
Forstgehilfe in der gewerkschaftlichen Waldungen gewesen, jetzt war er's nicht
mehr, wohnte mit seiner Familie in einer Hütte drüben in der
Fischbacher Gegend, man wußte nicht recht, was er trieb. Nun ging er nach
Hause. Er hatte einen Korb auf dem Rücken, an dem er nicht schwer zu
tragen schien, sein Gewand war noch ein jägermäßiges, aber
hübsch abgetragen, und sein schwarzer Vollbart ließ nicht viel sehen
von seinem etwas fahlen Gesicht. Als ich ihn bemerkt hatte, nahm er die Pfeife
aus dem Mund, lachte laut und sagte: "Wo schiebst denn hin, Bub?"
"Heim zu," meine Antwort.
"Was schleppest denn?"
"Sachen für den Christtag."
"Gute Sachen? Der tausend sapperment! Wem gehörst denn zu?"
"Dem Waldbauer."
"Zum Waldbauer willst gar hinauf! Da mußt hut antauchen."
"Tu's schon," sagte ich und tauchte an.
"Nach einem solchen Marsch wirst gut schlafen bei der Nacht,"
versetzte Kilian, mit mir gleichen Schritt haltend.
"Heut wird nicht geschlafen bei der Nacht, heut ist Christnacht."
"was willst denn sonst tun, als schlafen bei der Nacht?"
"Nach Kathrein in die Mette gehen."
"Nach Kathrein?" fragte er, "den weiten Weg?"
"Um zehn Uhr abends gehen wir von Haus fort und um drei Uhr früh
finden wir wieder daheim."
Der Kilian biß in sein Pfeifenrohr und sagte: "Na hörst du, da
gehört viel Christentum dazu. Beim Tage ins Mürztal und bei der Nacht
in die Mette nach Kathrein! So viel Christentum hab ich nicht, aber das sage
ich dir doch: wenn du dein Bündel in meinem Buckelkorb tun willst,
daß ich es eine Zeitlang trag und du dich ausrasten kannst, so hast ganz
recht, warum soll der alte Esel nicht auch einmal tragen!" Damit war ich
einverstanden, und während mein Bündel in seinen Korb sank, dachte
ich: Der grüne Kilian ist halt doch ein besserer Mensch, als man sagt.
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