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Als
ich Christtagsfreude holen ging
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger - Seite 5
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Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
Dann rückten wir wieder an, ich huschte frei und leicht neben ihm her.
"Ja ja, die Weihnachten!" sagte der Kilian pfauchend, "da geht's
halt drunter und drüber. Da erden sich die Leut in eine Aufregung und
Frömmigkeit hinein, die gar nicht wahr ist. Im Grunde ist der Christtag
wie jeder andere Tag, nicht ein Knopf anders. Der Reiche, ja, der hat jeden Tag
Christtag, unsereiner hat jeden Tag Karfreitag."
"Der Karfreitag ist auch schön", war meine Meinung.
"Ja, wer genug Fische und Butter und Eier und Kuchen und Krapfen hat zum
Fasten!" lachte der Kilian. Mir kam sein Reden heidentümlich vor.
Doch was er noch weiters sagte, das verstand ich nicht mehr; denn er hatte
angefangen, sehr heftig zu gehen, und ich konnte nicht recht nachkommen. Ich
rutschte auf dem glitschigen Schnee mit jedem Schritt ein Stück
zurück, der Kilian hatte Fußeisen angeschnallt, hatte lange Beine,
war nicht abgenattet - da ging's freilich voran.
"Herr Kilian!" rief ich.
Er hörte es nicht. Der Abstand zwischen uns wurde immer größer,
bei Wegbiegungen entschwand er mir manchmal ganz aus den Augen, um nachher
wieder in größerer Entfernung, halb schon von Nebeldämmerung
verhüllt, aufzutauchen. Jetzt wurde mir bang um mein Bündel. Kamen
wir ja doch schon dem Höllkogel nahe. Das ist jene Stelle, wo der Weg nach
Alpel und der Weg nach Fischbach sich gabeln. Ich hub an zu laufen; im
Angesichte der Gefahr war alle Müdigkeit dahin, ich lief wie ein
Hündlein und kam ihm näher. Was wollte ich aber anfangen, wenn ich
ihn eingeholt hätte, wenn ihm der Wille fehlte, die Sachen herauszugeben,
und mir dir Kraft, sie zu nehmen? Das kann ein schönes Ende werden mit
diesem Tage; denn die Sachen lasse ich nicht im Stich, und sollte ich ihm
nachlaufen müssen bis hinter den Fischbacher Wald zu seiner Hütte!
Als wir denn beide so merkwürdig schnell vorwärts kamen, holten wir
ein Schlittengespann ein, das vor uns mit zwei grauen Ochsen und einem
schwarzen Kohlenführer langsam des Weges schliff. Der Grabler Hansel. Mein
grüner Kilian wollte schon an dem Gespann vorbeihuschen, da schrie ich von
hinten her aus Leibeskräften: "Hansel! Hansel! Sei so gut, leg mir
meine Christtagssachen auf den Schlitten, der Kilian hat sie im Korb, und er
soll sie dir geben!"
Mein Geschrei muß wohl sehr angstvoll gewesen sein, denn der Hansel
sprang sofort von seinem Schlitten und nahm tatbereite Haltung an. Und wie der
Kilian merkte, ich hätte hier ein Bundesgenossen, riß er sich den
Korb vom Rücken und schleuderte das Bündel auf den Schlitten. Noch
knirschte er etwas von "dummen Bären" und
"Undankbarkeit", dann war er aber auch schon davon.
Der Hansel rückte das Bündel zurecht und fragte, ob man sich
draufsetzen dürfe. Das bat ich nicht zu tun.
So tat er's auch nicht, wir setzten uns hübsch nebeneinander auf den
Schlitten, und ich hielt auf dem Schoß sorgfältig mit beiden
Händen die Sachen für den Christtag. So kamen wie endlich nach Alpel.
Als wir zur ersten Fresenbrücke gekommen waren, sagte der Hansel zu den
Ochsen: "Oha!" und zu mir: "So!" Die Ochsen verstanden und
blieben stehen, ich verstand nicht und blieb sitzen. Aber nicht mehr lange, es
war ja zum Aussteigen; denn der Hansel mußte links in den Graben hinein
und ich rechts den Berg hinauf.
"Dank dir's Gott, Hansel!"
"Ist schon gut, Peterl."
Zur Zeit, da ich mit meiner Last den steilen Berg hinaufstieg gegen mein
Vaterhaus, begann es zu dämmern und zu schneien. Und zuletzt war ich doch
daheim.
"Hast alles?" fragte die Mutter am Kochherd mir entgegen.
"Alles!"
"Brav bist. Und hungrig wirst sein."
Beides ließ ich gelten. Sogleich zog die Mutter mir die klingendhart
gefrorenen Schuhe von den Füßen, denn ich wollte, daß sie
frisch eingefettet würden für den nächtlichen Mettengang. Dann
setzte ich mich in der warmen Stube zum Essen.
Aber siehe, während des Essens geht es zu Ende mit meiner Erinnerung. -
Als ich wieder zu mir kam, lag ich wohlausgeschlafen in meinem warmen Bette,
und zum kleinen Fenster herein schien die Morgensonne des Christtages.
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