|
|
Erste
Weihnachten in der Waldheimat
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger - Seite 2
|
|
|
[
zurück zum
Anfag der Weihnachtsgeschichte ]
mitsorgen half. So kam der Knabe nie ins Freie und kriegte auch in der Stube
keine gute Luft zu schnappen. Ich glaube, deshalb war er so blass, und nicht
des Hustens halber. Gehustet hatte auch ich als Knabe, aber damals gab`s noch
diese alte Magd nicht und ich trieb mich mit meinen Geschwistern in der freien
Weite um, wälzte Schneeballen, rodelte über Berglehnen, rutschte auf
dem Eis die Hosen durchsichtig, so lange, bis der Husten wieder gut war. Aber
der arme Nickerl hatte keinen gleichgesinnten Kameraden mehr, er war unter
Großen das einzige Kind, das Hascherlein im Hause und fügte sich
hilflos den Gesetzen. Ich nützte die wenigen Ferientage gewissenhaft, um
ihn der lebensgefährlichen Fürsorge der Hausmagd abspenstig zu
machen. Ich lockte ihn aus dem Hause, verleitete ihn zum Schneeballwerfen, zum
Schneemandlbauen, wobei er warme Hände und rote Wangen bekam. Und am Abend
hustete er noch mehr. Mich schützte meine Stadtherrenwürde zwar vor
dem Schlimmsten, aber das konnte die Alte nicht bei sich behalten, dass ich
lieber in meinem Steinhaufen hätte bleiben sollen, als da herkommen, um
Kinder zu verderben. Wir setzten munter unsere Winterfreuden fort, und noch eh
ich in die Stadt zurückkehrte, war beim kleinen Brüderl der Husten
vergangen.
Doch ich laufe der eilenden Zeit voraus. Und will mich doch beim lieben
Christfest aufhalten.
In der demselben vorhergehenden Nacht schlief ich wenig - etwas Seltenes in
jenen Jahren. Die Mutter hatte mir auf dem Herde ein Bett gemacht mit der
Weisung, die Beine nicht zu weit auszustrecken, sonst kämen sie in die
Feuergrube, wo die Kohlen glosten. Die glosenden Kohlen waren gemütlich;
das knisterte in der stillfinsteren Nacht so hübsch und warf manchmal
einen leichten Glutschein an die Wand, wo in einem Gestelle die buntbemalten
Schüsseln lehnten. Aber die Schwabenkäfer! die nächtig aus den
Mauerlöchern hervorkrochen und zurzeit einmal Ausflüge über die
Glieder und das Gesicht eines Studenten machten! Indes wird ein gesunder Junge
auch die Schwabenkäfer gewohnt. Aber sie nicht ihn. Da war`s ein anderes
Anliegen, über das er noch obendrein schlüssig werden musste in
dieser Nacht, ehe die Mutter an den Herd trat, um die Morgensuppe zu kochen.
Ich hatte viel sprechen hören davon, wie man in den Städten Weihnacht
feiert. Da sollen sie ein Fichtenbäumchen, ein wirkliches Bäumlein
aus dem Walde auf den Tisch stellen, an seinen Zweigen Kerzlein befestigen, sie
anzünden, darunter sogar Geschenke für die Kinder hinlegen und sagen,
das Christkind hätte es gebracht. Auch abgebildet hatte ich solche
Christbäume schon gesehen. Und nun hatte ich vor, meinem kleinen Bruder,
dem Nickerl, einen Christbaum zu errichten. Aber alles im geheimen, das
gehört dazu. Nachdem es soweit taglicht geworden war, ging ich in den
frostigen Nebel hinaus. Und just dieser Nebel schützte mich vor den
Blicken der ums Haus herum arbeitenden Leute, als ich vom Walde her mit einem
Fichtenwipfelchen gegen die Wagenhütte lief, dort das Bäumlein in ein
Scheit bohrte und unter dem Karren- und Räderwerk versteckte. Dann ging
ich nach Sankt Kathrein zum Krämer, um Äpfel zu kaufen. Der hatte
aber keine, sie waren im selben Jahr zu Pöllau und Hartberg nicht geraten
und so war kein Obstträger in die Gebirgsgegend gekommen.
Nun fragte ich den Krämer, ob er vielleicht Nüsse habe.
"Nüsse!" sagte er. "Zum Anschauen oder zum Aufschlagen? Ich
habe ihrer noch ein Sackel, vom vorigen Jahr her. Aber sie sind nur zum
Anschauen. Schlagst sie auf, so hast einen schwarzen oder verdorrten Kern, der
nit zum Essen ist."
Die Nüsse ließ ich ihm. Das wollte ich dem Brüderle nicht
antun: Eine schöne Schale und kein Kern. Solche Sachen darf man ihm nicht
angewöhnen.
Was sollte ich nun kaufen. Er hatte ja allerhand schöne Sachen, der
Krämer. Rote Sacktücheln, Hosenträger, Handspiegel,
Tabakspfeifen, sogar Maulwetzen (Mundharmoniken). Doch abgesehen davon, dass
der angehende Pädagoge manches nicht passend fand, hatte ich mit meinem
Geldvorrat zu rechnen, der mich ja auch wieder nach Graz bringen sollte.
"So wär` ich halt umsonst gegangen," sagte ich.
|
|
|