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Erste
Weihnachten in der Waldheimat
Weihnachtsgeschichte
von Peter Rosegger ( 1843 bis 1918 )
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Bist
doch noch kommen! Wir haben schon gmeint, `s Wetter! Der Nickerl hat schon
gröhrt, du kunnst im Schnee sein stecken blieben. Na, weil d` nur da bist.
Was magst denn gleich? Ein Eierspeis? Ein Kaffee? Weihnachts - Guglhupf han ich
auch schon."
Kenn ich sie? Kennt ihr sie nicht? Das ist ja die Stimme der Mutter!
Es waren die ersten Weihnachtsferien meiner Studienzeit. Wochenlang hatte ich
schon die Tage, endlich die Stunden gezählt bis zum Morgen der Heimfahrt
von Graz ins Alpel. Und als der Tag kam, da stürmte und stöberte es,
dass mein Eisenbahnzug stecken blieb ein paar Stationen vor Krieglach. Da stieg
ich aus und ging zu Fuß, frisch und lustig, sechs Stunden lang durch das
Tal, wo der Frost mir Nase und Ohren abschnitt, dass ich sie gar nicht mehr
spürte; und durch den Bergwald hinauf, wo mir so warm wurde, dass die
Ohren auf einmal wieder da waren und heißer, als je im Sommer. Der Nase
vergaß ich, doch stak sie sicher fest im Gesichte, wo sie heute noch
steckt. Auch mein Bündel Bücher schleppte ich, denn die Professoren
waren so grausam gewesen, mir Hausaufgeben zu diktieren, besonders in der
Mathematik und Grammatik, die ich heute noch hassen könnte bis aufs Blut,
wenn es nicht gar so blutlose Wissenschaften wären.
So kam ich, als es schon dämmerte, glücklich hinauf, wo das alte
Haus, schimmernd durch Gestöber und Nebel, wie ein verschwommener Fleck
stand, einsam mitten in der Schneewüste. Als ich eintrat, wie war die
Stube so klein und niedrig und dunkel und warm - und urheimlich. In den
Stadthäusern verliert man ja allen Maßstab für das
Waldbauernhaus. Aber man findet sich gleich wieder hinein, wenn die Mutter den
Ankömmling ohne alle Umstände so grüßt. "Na, weil d`
nur da bist!"
Auf dem offenen Steinherd prasselt das Feuer, in der guten Stube wurde eine
Kerze angezündet.
"Mutter, nit!" wehrte ich ab, "tut lieber das Spanlicht
anzünden, das ist schöner!" Sie tat`s aber nicht. Das
Kienspanlicht ist für die Werktage. Weil nach langer Abwesenheit der Sohn
heimkam, war für die Mutter Feiertag geworden. Darum die festlichere
Kerze.
Und für mich erst recht Feiertag!
Als die Augen an das Halblicht sich gewöhnt hatten, sah ich auch den
Nickerl, das achtjährige Brüderlein. Es war das jüngste und
letzte. Es stand in seinem blädernden Höslein gerade wie ein
Bäumchen da und hatte natürlich den Finger im Mund. Seine schwarzen
Augen waren weit offen und ganz rund, so verwundert schaute er mich an. Der, um
den er schon "gröhrt" hatte, war jetzt da und die
Vertraulichkeit stellte sich erst allmählich ein. Selbst als ich ihn zum
Kaffee einlud, war er noch nicht so weit, dass er den Finger für das
Stück Guglhupf vertauschen wollte.
"Ausschaun tust gut!" lobte die Mutter meine vom Gestöber
geröteten Wangen. Sie hatte ihr Gesicht, das nicht gut und nicht schlecht
ausschaute - das alte, süße, kummervolle und doch frohgemute
Mutterantlitz. Ich schaute dieses Gesicht nie lange an, immer nur verstohlen -
es war immer eine Schämigkeit da, bei ihr auch so, wie bei zwei heimlichen
Liebsten. Zärtlich bin ich mit ihr nie gewesen, wohl auch nie grob - und
diesmal bei der Heimkehr haben wir uns nur die Hände gegeben. Aber wohl
war mir! Wohl zum Jauchzen und Weinen. Ich tat keines, ich blieb ganz ruhig und
redete gleichgültige Dinge. Der kleine Nickerl sah blass aus. "du
hast ja die Stadtfarb, statt meiner!" sagte ich, und habe gelacht.
Die Sache war so. Der Kleine tat husten, den halben Winter schon. Und da war
eine alte Hausmagd, die sagte es - ich wusste das schon von früher -
täglich wenigstens dreimal, dass für ein "hustendes Leut"
nichts schlechter sei, als "die kalte Luft". Sie verbot es, dass der
Kleine hinaus vor die Tür ging, sie hielt immer die Fenster geschlossen,
ja auch die Tür durfte nur so weit und so kurz aufgehen, wie eben noch ein
Mensch rasch aus- oder einschlüpfen kann. die Eltern wussten es der Alten
Dank, dass sie so gewissenhaft für den Kleinen
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