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Unter
dem Tannenbaum.
In der Dämmerstunde
Weihnachtsgeschichte
von Theodor Storm - Seite 6
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Anfang der Weihnachtsgeschichte ]
ans Fenster und horchte. - Nein, es knarrte wohl nur die große Pappel an
der Giebelseite des Hauses. - Und noch einmal hub sie leise an und sprach:
Gott grüß dich, Abendstern!
Du scheinst so hell von fern,
über Osten, über Westen
über alle Krähennesten.
Ist einer zu mein Liebchen geboren,
ist einer zu mein Liebchen erkoren,
in sein täglich Kleid!
Dann schwenkte sie den Schuh und warf ihn hinter sich. Aber sie wartete
vergebens; sie hörte ihn nicht fallen. Ihr wurde seltsam zumute, das kam
von ihrem Vorwitz! Welch unheimlich Ding hatte ihren Schuh gefangen, ehe er den
Boden erreicht hatte? - Einen Augenblick noch stand sie so; dann mit dem
letzten Restchen ihres Mutes wandte sie langsam den kopf zurück. - Da
stand ein Mann in der dunklen Tür, und es war Paul; er war richtig noch
einmal auf den unglücklichen Hasen ausgewesen?
"Nein, Ellen," sagte der Amtsrichter, "du weißt es wohl;
das war es denn doch diesmal nicht; er hatte nur, wie du, auch keine Ruh
gefunden; - aber nun hielt er den kleinen Schuh des Mädchens in der Hand;
und Ellen hatte sich am Herd auf einen Stuhl gesetzt, mit geschlossenen Augen,
die Hände gefaltet vor sich in den Schoß gestreckt. Es war kein
Zweifel mehr, dass sie sich ganz verloren gab; denn sie wusste wohl, dass der
Vetter alles gehört und gesehen hatte. - "Ja, Paul, ich weiß
sie noch; und es war sehr grausam und wenig edel von ihm. "Ellen,"
sagte er, "ist noch immer die Börse nicht für mich
gemacht?" - Doch Ellen tat ihm auch diesmal den Gefallen nicht; sie stand
auf und öffnete das Fenster, dass von draußen die Nachtluft und das
ganze Sternengefunkel zu ihnen in die Küche drang." -
"Aber", unterbrach er sie, "Paul war zu ihr getreten, und sie
legte still den Kopf an seine Brust; und noch höre ich den
süßen Ton ihrer Stimme, als sie so, in die Nacht hinaus nickend,
sagte: "Gott grüß dich, Abendstern!"
Die Tür wurde rasch geöffnet; ein kräftiger, etwa
zehnjähriger Knabe trat mit einem brennenden Licht ins Zimmer.
"Vater! Mutter!" rief er, indem er die Augen mit der Hand
beschattete. "Hier ist Moos und Efeu und auch noch ein
Wachholderzweig!" - Der Amtsrichter war aufgestanden. "Bist du da,
mein Junge!" sagte er und nahm ihm die Botanisiertrommel mit den
heimgebrachten Schätzen ab. Frau Ellen aber ließ sich schweigend von
dem Schreibtisch herabgleiten und schüttelte sich ein wenig wie aus
Träumen. Sie legte beide Hände auf ihres Mannes Schulter und blickte
ihn eine Weile voll und herzlich an. Dann nahm sie die Hand des Knaben.
"Komm, Harro," sagte sie, "wir wollen Weihnachtsgärten
bauen!"
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