|
[
zurück zum
Anfag des Weihnachtsmärchens ]
Dort auf dem Platze banden oft die kecksten Knaben ihre Schlitten an die Wagen
der Landleute fest und dann fuhren sie ein gutes Stück Weges mit. Das ging
prächtig. Als sie im besten Spielen waren, da kam ein großer
Schlitten, der war ganz weiß angestrichen, und darin saß Jemand in
einen rauen weißen Pelz gehüllt und mit einer weißen rauen
Mütze. Der Schlitten fuhr zweimal herum um den Platz, und Karl band seinen
kleinen Schlitten schnell daran fest und nun fuhr er mit. Es ging rascher und
rascher, gerade hinein in die nächste Straße; der, welcher fuhr,
wendete das Haupt und nickte freundlich zu, es war gerade, als ob sie einander
kannten. Jedes Mal, wenn Karl seinen kleinen Schlitten ablösen wollte,
nickte die Person wieder, und dann blieb Karl sitzen. Sie fuhren endlich zum
Stadttor hinaus, da begann der Schnee so stark hernieder zu fallen, dass der
kleine Knabe keine Hand vor sich erblicken konnte, aber er fuhr davon. Da
ließ er schnell die Schnur fallen, um von dem großen Schlitten
loszukommen, aber das half nichts, sein kleines Fahrzeug hing fest, und es ging
mit Windeseile. Da rief er ganz laut, aber Niemand hörte ihn, der Schnee
trieb und der Schlitten flog von dannen; mitunter gab es einen Sprung, es war,
als führe er über Gräben und Hecken. Er war ganz erschrocken, er
wollte sein Vaterunser beten, aber er konnte sich nur des großen
Einmaleins entsinnen.
Die Schneeflocken wurden größer und größer, zuletzt sahen
sie aus wie große weiße Hühner; auf einmal sprangen sie zur
Seite, der große Schlitten hielt, und die Person, die ihn fuhr, erhob
sich. Pelz und Mütze waren ganz und gar von Schnee, es war eine Dame, hoch
und schlank, glänzend weiß, es war die Schneekönigin. "Wir
sind gut gefahren!" sagte sie, "aber wer wird frieren! Krieche in
meinen Bärenpelz!" und sie setzte ihn neben sich in den Schlitten,
schlug den Pelz um ihn, und es war, als versinke er in einem Schneetreiben.
"Friert dich noch?" fragte sie, und dann küsste sie ihn auf die
Stirn. O! das war kälter als Eis, das ging ihm gerade hinein bis in sein
Herz, welches ja doch zur Hälfte ein Eisklumpen war. Es war, als sollte er
sterben, aber nur einen Augenblick, dann tat es ihm gerade recht wohl; er
spürte nichts mehr von der Kälte ringumher.
"Meinen Schlitten! Vergiss nicht meinen Schlitten!" daran dachte er
zuerst, und der wurde an eines der weißen Hühner festgebunden, und
dieses flog hinterher mit dem Schlitten auf dem Rücken. Die
Schneekönigin küsste Karl nochmals, und da hatte er das kleine
Gretchen, die Großmutter und Alle daheim vergessen. "Nun bekommst du
keine Küsse mehr", sagte sie, "denn sonst küsse ich dich
tot!"
Karl sah sie an, sie war sehr schön, ein klügeres, lieblicheres
Antlitz konnte er sich nicht denken. Sie erschien ihm nun nicht von Eis, wie
damals, als sie draußen vor dem Fenster saß und ihm winkte; in
seinen Augen war sie vollkommen, er fühlte gar keine Furcht; er
erzählte ihr, dass er im Kopfe rechnen könnte, und zwar mit
Brüchen, er wisse die Größe des Landes und die Einwohnerzahl,
und sie lächelte immer. Das kam ihm vor, als wäre es noch nicht
genug, was er wisse, und er blickte hinauf in den großen Luftraum und sie
flog mit ihm, flog hoch hinauf in die schwarze Wolke, und der Sturm sauste und
brauste, es war, als sänge er alte Lieder. Sie flogen über
Wälder und Seen, über Meere und Länder; unter ihnen sauste der
kalte Wind, die Wölfe heulten, der Schnee funkelte, über demselben
flogen die schwarzen schreienden Krähen dahin, aber hoch oben schien der
Mond groß und klar, und den betrachtete Karl die lange, lange
Winternacht; am Tage schlief er zu den Füßen der Schneekönigin.
|
|