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Eine Weihnachtsgeschichte

Weihnachtsgeschichte von Heinrich Seidel - Seite 6

[ zurück zum Anfang der Weihnachtsgeschichte ]

Stelle und umfuhren sie in weitem Bogen. Zugleich erhob sich in der Ferne mit Geschrei und gewaltigem Flügelschlagen eine Anzahl der Vögel und ging in brausendem Flug über den See zu anderen offenen Stellen, die etwa eine Meile weiterhin gelegen waren. Bei dem großen Steine angelangt, standen wir und sahen dem Wirren und Schwirren zu. Die ziemlich große Wasserfläche war bedeckt mit Tausenden von nordischen Enten, vorwiegend Schnell - und Eisenten, die hier, unseren Norden als ihren Süden betrachtend, Winterquartiere bezogen hatten. Eine große Anzahl von Möwen tummelte sich zwischen ihnen, aus der Luft auf das Wasser niederstoßend, oder wie helle Punkte zwischen den dunklen Enten schwimmend. In der Nähe auf dem Eise saß ein großer Vogel, zwischen den Klauen mit dem Schnabel etwas zerpflückend, dass die Federn davon stoben. "Siehst du den Seeadler?" sagte ich zu Helene, "der hat jetzt leichtes Spiel, er braucht nur zuzustoßen, wenn er Hunger hat ." Unterdessen war ihm wohl unsere Nähe unheimlich geworden, denn plötzlich erhob er sich und zog mit gewaltigen Flügelschlägen über den See dem Lande zu.
Wir hatten eine ziemliche Zeit dort gestanden und, mit dem Betrachten der Enten beschäftigt, auf nichts weiter geachtet, und so fiel es mir jetzt auf, als ich dem Seeadler nachblickte, dass das gegenüberliegende Ufer, das wir vorhin deutlich gesehen hatten, ganz in bläulichem Dämmer verschwunden war. Ich schaute mich um nach Nusswerder - nur noch wie ein matter Schein zeichnete es sich in die dicke Luft, und mit einem Male fing es an, ganz leise und sanft zu schneien.
"Helene!" rief ich, "wir müssen schnell fort, denn wenn der Schnee stärker wird und unsere Spur verdeckt, so können wir uns leicht verirren."
Wir machten uns nun schnell auf, die Spur der Schlittschuhe auf unserem Herwege verfolgend. Langsam und stetig mehrten sich die Flocken, und kaum waren wir eine kurze Strecke vorwärts gelangt, so war das Eis von dem Schnee leicht bedeckt und die Spur verloren. Wir hielten an und schauten nach der Bahn aus. Aber nichts war ringsum zu sehen, überall nur das sich leise stetige Niedersinken der großen Flocken, das sich weiterhin in einen weißen, wimmelnden Dämmer verlor. Ich schlug auf Geratewohl die Richtung ein, in der ich die Bahn vermutete, und dann ging es wieder vorwärts. Nach einer Viertelstunde war nichts erreicht, wir mussten die Richtung verfehlt haben. Wir standen nun und horchten, ob nicht ein Laut uns zur Hilfe komme. Aber es war ringsum so totenstill, dass man das leise Geräusch der fallenden Flocken vernehmen konnte. Nun mehrte sich auch schon der Schnee und fing an, beim Laufen hinderlich zu werden, und das Schlimmste war, dass die Gefahr der unsicheren Stellen durch die gleichmäßig alles verhüllende Schneedecke verdoppelt ward. Wir glitten nach einer anderen Richtung vorsichtig weiter. So irrten wir eine Weile umher, und ich bemerkte, dass Helene anfing, müde zu werden. Plötzlich sah ich etwas Dunkles vor mir aus dem Schnee ragen, und da waren wir wieder bei dem großen Stein; wir waren richtig im Kreise gelaufen.
Während wir eine Weile ruhten, fiel mir plötzlich eine Bemerkung ein, die ich vorhin gemacht hatte. Es war mir eingefallen, dass die Entenkolonie, der große Stein und Nusswerder in einer geraden Linie lagen, danach konnte man die Richtung bestimmen. Gelang es uns, diese gerade Linie einzuhalten, so mussten wir unbedingt auf Nusswerder treffen, von wo aus die Bahn mit Leichtigkeit zu erreichen war.
Wieder glitten wir in den Schnee hinaus, Helene immer etwa zwanzig Schritt hinter mir. Als wir eine Weile gelaufen waren, glaubte ich vor mir in dem Schneegewimmel etwas Dunkles ragen zu sehen wie die Umrisse von Bäumen. Unwillkürlich vermehrte ich meine Schnelligkeit, da plötzlich ertönte hinter mir ein gellender Schrei, und als ich mit scharfem Ruck meinen Lauf anhielt, ward ein Knistern und Senken zu meinen Füßen bemerkbar, das mir kaum Zeit ließ, in schneller Wendung zurückzutaumeln. Wie erstarrt stand Helene hinter mir. Ich sah sie wanken und eilte, sie in meinen Armen aufzufangen. Dann blickte ich unwillkürlich zurück und sah jenen kleinen dunklen Wasserfleck, der in der fast zugefrorenen Öffnung noch frei geblieben war und Helene zu dem Warnungsruf veranlasst hatte. Sie lag an





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