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Unter
dem Tannenbaum.
Unter
dem Tannenbaum
Weihnachtsgeschichte
von Theodor Storm - Seite 4
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Minuten war der Baum eingeschoben und stand fest und aufrecht, seine grüne
Spitze fast bis zur Decke streckend. - Die alte Magd hatte ihre Schüssel
mit Äpfeln und Pfeffernüssen stehen lassen; während die andern
drei beschäftigt waren, die Wachskerzen aufzustecken, stand sie neben
ihnen, ein lebendiger Kandelaber, in jeder Hand einen brennenden Armleuchter
empor haltend. - Sie war aus der Heimat mit herübergekommen und hatte sich
von allen am schwersten in den Brauch der Fremde gefunden. Auch jetzt
betrachtete sie den stolzen Baum mit misstrauischen Augen. "Die goldenen
Eier sind denn doch vergessen!" sagte sie. - Der Amtsrichter sah sie
lächelnd an: "Aber Margreth, die goldenen Tannäpfel sind doch
schöner!" - "So, meint der Herr? Zu Hause haben wir immer die
goldenen Eier gehabt." - Darüber war nicht zu streiten; es war auch
keine Zeit dazu. Harro hatte sich indessen schon wieder über den Quersack
hergemacht. "Noch nicht anzünden!" rief er, "das Schwerste
ist noch darin!"
Es war ein fest vernageltes hölzernes Kistchen. Aber der Amtsrichter holte
Hammer und Meißel aus seinem Gerätekästchen; nach ein paar
Schlägen sprang der Deckel auf, und eine Fülle weißer
Papierspäne quoll ihnen entgegen. - "Zuckerzeug!" rief Frau
Ellen und streckte schützend ihre Hände darüber aus. "Ich
wittere Marzipan! Setzt euch; ich werde auspacken!" - Und mit vorsichtiger
Hand langte sie ein Stück nach dem andern heraus und legte es auf den
Tisch, das nun von Vater und Sohn aus dem umhüllenden Seidenpapier
herausgewickelt wurde. - "Himbeeren!" rief Harro, "und
Erdbeeren, ein ganzer Strauß!" - "Aber siehst du es wohl?"
sagte der Amtsrichter, "es sind Walderdbeeren; so welche wachsen in den
Gärten nicht."
Dann kam, wie lebend, allerlei Geziefer; Hornissen und Hummeln und was sonst im
Sonnenschein an stillen Waldplätzen umherzusummen pflegt, zierlich aus
Dragant gebildet, mit goldbestäubten Flügeln; nun eine Honigwabe -
die Zellen mochten mit Likör gefüllt sein -, wie sie die wilden
Bienen in den Stamm der hohlen Eiche baut; und jetzt ein großer
Hirschkäfer, von Schokolade, mit gesperrten Zangen und ausgebreiteten
Flügeldecken. "Cervus lucanus!" rief Harro und klatschte in die
Hände.
An jedem Stück war, je nach der Größe, ein lichtgrünes
Seidenbändchen. Sie konnten der Lockung nicht widerstehen; sie begannen
schon jetzt den Baum damit zu schmücken, während Frau Ellens
Hände noch immer neue Schätze ans Licht förderten.
Bald schwebte zwischen den Immen auch eine Schar von Schmetterlingen an den
Tannenspitzen, da war der Himbeerfalter, die silberblaue Daphnis und der
olivenfarbige Waldargus, und wie sie alle heißen mochten, die Harro, hier
vergebens aufzujagen gesucht hatte. - Und immer schwerer wurden die
Päckchen, die eins nach dem andern von den eifrigen Händen
geöffnet wurden.
Denn jetzt kam das Geschlecht des größeren Geflügels, da kam
der Dompfaff und der Buntspecht, ein Paar Kreuzschnäbel, die im Tannenwald
daheim sind; und jetzt - Frau Ellen stieß einen leichten Schrei aus - ein
ganzes Nest voll kleiner schnäbelaufsperrender Vögel; und Vater und
Sohn gerieten miteinander in Streit, ob es Goldhähnchen oder junge Zeisige
seien, während Harro schon das kleine Heimwesen im dichtesten
Tannengrün verbarg.
Noch ein Waldbewohner erschien; er musste vom Buchenrevier herübergekommen
sein; ein Eichhörnchen von Marzipan, in halber Lebensgröße, mit
erhobenem Schweif und klugen Augen. "Und nun ist`s alle!" rief Frau
Ellen. Aber nein, ein schweres Päckchen noch! Sie öffnete es und
verbarg es dann ebenso rasch wieder in beiden Händen. "Ein
Prachtstück!" rief sie; "aber nein, Paul; ich bin
edelmütiger als du; ich zeig's dir nicht!" - Der Amtsrichter
ließ sich das nicht anfechten; er brach ihr die nicht gar zu ernstlich
geschlossenen Hände auseinander, während sie lachend über ihn
wegschaute. - "Ein Hase!" jubelte Harro, "er hat ein Kohlblatt
zwischen den Vorderpfötchen!" - Frau Ellen nickte: "Freilich, er
kommt auch eben aus des alten Kirchspielvogts Garten!" - "Harro, mein
Junge," sagte der Amtsrichter, indem er drohend den Finger gegen seine
Frau erhob; "versprich mir, diesen Hasen zu verspeisen, damit er
gründlich aus der Welt komme!" - Das versprach Harro.
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