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Unter
dem Tannenbaum.
Unter
dem Tannenbaum
Weihnachtsgeschichte
von Theodor Storm - Seite 6
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dass ich fort musste, mein erster Gedanke war, ich könnte dort den Platz
verfehlen. - Ich habe sie mehr als einmal offen gesehen; das letzte Mal, als
deine Urgroßmutter starb, eine Frau in hohen Jahren, wie sie den
Unserigen vergönnt zu sein pflegen. - Ich vergesse den Tag nicht. Ich war
hinabgestiegen und stand unten in der Dunkelheit zwischen den Särgen, die
neben und über mir auf den eisernen Stangen ruhten, die ganze alte Zeit,
eine ernste schweigsame Gesellschaft. Neben mir war der Totengräber, ein
eisgrauer Mann. Aber einst war er jung gewesen und hatte als Kutscher, den
schwarzen Pudel zwischen den Knien, die Rappen meines Großvaters
gefahren. - Er stand an einen hohen Sarg gelehnt und ließ wie liebkosend
seine Hand über das schwarze Tuch des Deckels gleiten. "Dat is min
ole Herr!" sagte er in seinem Plattdeutsch, "dat weer en gude Mann! -
Mein Kind, nur dort zu Hause konnte ich solche Worte hören. Ich neigte
unwillkürlich das Haupt; denn mir war als fühlte ich den Segen der
Heimat sich leibhaftig auf mich nieder senken. Ich war der Erbe dieser Toten;
sie selbst waren zwar dahingegangen, aber ihre Güte und Tüchtigkeit
lebte noch, und war für mich da und half mir, wo ich selber irrte, wo
meine Kräfte mich verließen. - Und auch jetzt noch, wenn ich - mir
und den Meinen nicht zur Freude, aber getrieben von jenem geheimnisvollen Weh,
auf kurze Zeit zurückkehrte, ich war nicht allein." Er war
aufgestanden und hatte einen Fensterflügel aufgestoßen. Weithin
dehnte sich das Schneefeld; der Wind sauste; unter den Sternen vorüber
jagten die Wolken, dorthin, wo in unsichtbarer Ferne ihre Heimat lag. - Er
legte fest den Arm um seine Frau, die ihm schweigend gefolgt war; seine
lichtblauen Augen lugten scharf in die Nacht hinaus. "Dort!" sprach
er leise; "ich will den Namen nicht nennen; er wird nicht gern gehört
in deutschen Landen; wir wollen ihn still in unserm Herzen sprechen, wie die
Juden das Wort für den Allerheiligsten." Und er ergriff die Hand
seines Kindes und presste sie so fest, dass der Junge die Zähne zusammen
biss.
Noch lange standen sie und blickten dem dunklen Zuge der Wolken nach. - Hinter
ihnen im Zimmer ging lautlos die alte Magd umher und hütete sorgsamen
Auges die allmählich niederbrennenden Weihnachtskerzen.
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