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Rotkehlchen
Weihnachtsgeschichte
von Heinrich Seidel - Seite 2
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Bronzewaren, so dass sein Haus und sein Zimmer schließlich mit all diesen
Dingen so gespickt und besetzt war, wie ein alter Ostindienfahrer mit
Seemuscheln.
Demnach geschah aber etwas, das seine Lust am Sammeln und Hegen eine neue
Wendung gab. Er besuchte zufällig eine Ausstellung von lebenden
Vögeln, nahm einige Lose und hatte das Schicksal, ein paar
Sonnenvögel zu gewinnen. Diese anmutigen und reizvollen Tiere, die
Schönheit des Aussehens, drolliges Benehmen und herrlichen Gesang
miteinander vereinen, machten einen tiefen Eindruck auf ihn und erweckten
Appetit nach mehr. Er suchte sofort die Bekanntschaft eines stadtbekannten
Vogelliebhabers und stürzte sich mit Feuereifer auf die Erlernung dieser
ihm ganz neuen Dingen. Im Umsehen hatte er sämtliche Fachzeitschriften
abonniert und eine Anzahl von Werken über Vogelkunde erworben. Es gelang
ihm sogar, für eine Menge Geld sich in den Besitz von Johann Andreas
Naumanns Naturgeschichte der Vögel Deutschlands zu setzen, jenes seltenen
und großartigen Werkes, das in der Literatur aller Völker
seinesgleichen sucht. Es war ihm, als sei er nun erst hinter das Wahre und
Richtige gekommen, und diese ganz neue Leidenschaft hatten die zwei kleinen
chinesischen Piepvögel angerichtet.
Nach Anweisung jenes Vogelkundigen richtete er ein schönes sonniges Zimmer
seines Hauses zur Vogelstube ein, die mit Springbrunnen und Teich und
rieselndem Gewässer ausgestattet, an den Wänden mit Borke und alten
Baumstämmen bekleidet und mit Nistkästen und Futtergeschirren der
neuesten und besten Konstruktion versehen war. Unter großen Kosten ward
dieser Raum stets mit neuen lebenden Gesträuchen und Tannenbäumen
versehen. Zugleich ließ er einen Schrank bauen von weichem Holz, mit
unzähligen Schiebladen versehen und außen gar anmutig mit gemalten
Vögeln und deren Futterpflanzen verziert. Die Schiebladen wurden mit
entsprechenden sauberen Inschriften versehen und gefüllt mit
Kanariensamen, Hanf, Hirse, Sonnenblumenkernen, Haselnüssen, Mohnsamen und
was sonst zum Vogelfutter dient, als da sind getrocknete Holunder - und
Ebereschebeeren, kondensiertes Eigelb, Eierbrot und solcherlei mehr. An den
Seiten des Schrankes aber hingen in sauberen Säcken Ameisenpuppen und
getrocknete Eintagsfliegen, während oben drauf sechs große mit Flor
verbundene Häfen prangten, in die er zwei Pfund Mehlwürmer zur Zucht
eingesetzt hatte.
Nachdem all diese Vorbereitungen getroffen waren und er die Vogelstube mit
einer reichen Anzahl von in - und ausländischen Tierchen besetzt hatte,
war ihm ein Feld zu reichlicher und dauernder Tätigkeit eröffnet. Wie
nun bei allen solchen Liebhabereien eins das andere mit sich bringt, so ging es
auch hier, und Herr Dusedann suchte bald seinen Ehrgeiz darin, die
schwierigsten und seltensten Vögel in Gefangenschaft zu halten. Bald hatte
er außer seiner Vogelstube einen ungeheuren Flugbauer in einem anderen
Zimmer aufgestellt. Darin befanden sich alle vier einheimischen Laubvogelarten,
Goldhähnchen, Schwanzmeisen, Bartmeisen, Baumläufer, Zaunkönige,
kleine Fliegenschnäpper und andere zärtliche Vögel, die viel
Aufmerksamkeit und Wartung erfordern. In demselben Zimmer flogen zwei
Eisvögel umher, die in einem großen Wasserbassin alltäglich
einen große Menge von lebenden kleinen Fischen erhielten. Hier konnte er
manche Stunde sitzen und diesen schnurrigen, schön gefärbten und
metallisch glänzenden Vögeln zusehen, wie sie von ihrem
Beobachtungsaste aus plötzlich kopfüber ins Wasser plumpsten und
jedes Mal mit einem Fischlein im Schnabel auf ihren Sitz zurückkehrten.
Wie sie dann den Fang hin und her warfen, bis er mundgerecht lag und ihn unter
mächtigem Schlucken hinabwürgten. Wie sie dann eine Weile geduckt und
mit ein wenig gesträubten Federn dasaßen, als sei diese ganze
Angelegenheit eine verdrießliche und nachdenkliche Sache und mehr
Geschäft als Vergnügen.
Im Laufe der Zeit ward diese Menagerie immer größer und
reichhaltiger und ihre Wartung, Beobachtung und Pflege verschlang alle Zeit,
die Herrn Dusedann so reichlich zur Verfügung stand.
Da geschah es, dass sich seine Wünsche auf den Besitz eines sprechenden
Graupapageien richteten und er sich das Glück, ein solche Tier sein eigen
zu nennen, mit den glänzendsten
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