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Rotkehlchen

Weihnachtsgeschichte von Heinrich Seidel - Seite 7

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Von diesem Tage an wurde Herr Dusedann viel mit Paketen gesehen. Da aber in dieser Zeit solches eine häufige Zierde des Mannes, insonderheit des Familienvaters und des alten guten Onkels ist, so fiel das weiter nicht auf. Aber der junge Mann zitterte doch oftmals bei seinen Einkäufen davor, dass ihn ein Bekannter dabei überraschen möge. Zwar bei der großartigen Kinderkochmaschine, die er für Regina einkaufte und der für Susanne bestimmten Puppenstube von märchenhafter Pracht hätte er schon leicht eine Ausrede finden können, allein was sollte er sagen, wenn ihn jemand gefragt hätte, für wen der kostbare olivenbraune Seidenstoff bestimmt sei und die wunderbare goldene, mit Perlen behängte Halskette, die der erste Juwelier der Stadt nach den Zeichnungen eines bedeutenden Künstlers ausgeführt hatte. Wenn er behauptet hätte für Tante Salome, so wäre diese Lüge doch gar zu durchsichtig gewesen. Und so kaufte er in einer Art von Rausch noch allerlei Dinge, die ihm passend und angenehm erschienen. Dass sein Beginnen sehr auffallend war, kam ihm gar nicht in den Sinn, dazu hatte er zu einsam gelebt und zu wenig Begriff von dem Wert des Geldes.
Als er kurz vor Weihnachten zu der Familie Roland kam, traf er den Alten allein und in sehr trübseliger Stimmung. Nach einigen Worten der Einleitung fragte dieser mit bebender Stimme: "Möchten sie den Papagei noch kaufen, Herr Dusedann?"
Als dieser ihn verwundert anblickte, fuhr er fort: "Ich werde sehr bedrängt durch eine Schuld, die ich zur Zeit meiner schweren Krankheit, der mein jetziges Leiden folgte, eingehen musste. Bis jetzt habe ich sie in kleinen Raten vierteljährlich vermindert, allein nun will der Geldgeber nicht mehr warten. Außerdem ist das Weihnachtsfest vor der Tür und der erste Januar mit seinen Ausgaben. Es ist ja auch ein großer Luxus für einen Mann wie mich, ein so kostbares Tier zu halten. Ich habe mir die Sache überlegt. Ein sogenannter roher Graupapagei, der frisch angekommen ist und noch nichts versteht, kostet nur sechsunddreißig Mark. Ich schaffe mir von dem übrigen Gelde einen solchen an, einen, der noch graue und nicht gelbe Augen hat, also noch jung ist, und dann will ich mich dahinter setzen, dass er bald ebensoviel lernen soll als dieser."
Herrn Dusedann schoss ein glänzender Gedanke wie eine Sternschnuppe durch den Kopf.
"Gewiss," sagte er, "den Papagei kaufe ich gerne, aber sie müssen ihn noch eine Weile behalten, bis ich mich auf ihn eingerichtet habe. Nicht wahr? Im nächsten Jahre hole ich ihn mir." Da er gerade genügend mit Geld versehen war, so zählte er die fünfhundert Mark auf den Tisch und verabschiedete sich. Zu Anfang war er ein wenig betroffen und ergriffen, denn zum erstenmal in seinem Leben war ihm menschlich Not entgegengetreten, allein diese Stimmung verlor sich bald, denn es lag ja in seiner Hand, diesen Menschen, die er achtete und liebte, von seinem Überflusse mitzuteilen. Der Mond, der an diesem Abend in Herrn Dusedanns Zimmer schien, hatte einen wunderlichen Anblick. Er sah diesen Herrn in seinem Bette liegen und in höchst seltsamer Weise alle Augenblicke sich die Hände reiben, ja sogar zuweilen unter der Bettdecke mit den Beinen ziemlich strampeln. Der gute alte Mond glaubte, dass Herrn Dusedann fröre; freilich er konnte nicht wissen, dass in dem Zimmer sehr schön geheizt war und Herr Dusedann bloß vor lauter Vergnügen nicht einschlafen konnte.
Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezember erwachte Herr Dusedann so erwartungsvoll und freudig wie ein richtiges Kind, das diesen seligen bevorstehenden Abend kaum abzuwarten vermag. Er packte alle seine eingekauften Schätze sorgsam in eine ungeheure Kiste und bestellte dann einen Dienstmann, der die Weisung erhielt, diese am Abend um fünf Uhr in der Rolandschen Wohnung abzuliefern. Nur eine Schachtel behielt er zurück und machte sich damit um ein Uhr auf den Weg, um sie persönlich abzuliefern. Sie erhielt einen Beitrag zur Ausschmückung des Tannenbaums, denn er hatte sich extra aus erbeten, an diesem feierlichen Akte teilnehmen zu dürfen. Er fand den Alten und die beiden Kinder zusammen in dem Vorderzimmer. "Wir dürfen nicht hinein," sagte Susanne und zeigte auf die Nebentür: "Wendula putzt auf!" "Aber ich darf doch?" fragte Herr Dusedann. "Ja, Sie dürfen. Wendula hat`s gesagt."
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Weihnachtsgeschichte: Rotkehlchen