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Lang,
Lang ist`s her.
Weihnachtsgeschichte
von Heinrich Seidel - Seite 3
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Anfang der Weihnachtsgeschichte ]
er so gut, aber gegen dich wird er es nicht sein. Denn er hat einen Hass auf
alle Musiker - nicht auf die Musik, aber auf euch. Er ist wohl streng, aber
gegen jedermann gerecht, nur gegen euch nicht. Ich habe gekämpft dagegen,
dich lieb zu haben, denn ich dachte, dass daraus nie ein Glück entstehen
könne - nun ist es doch so plötzlich gekommen - wie soll es nur
werden?" "Morgen gehe ich zu deinem Vater," sagte Leonard,
"da du mir gut bist, so soll mich auch keine Macht der Erde daran hindern,
dich zu gewinnen." Sie sah ihn liebevoll, doch traurig an. "Du kennst
ihn nicht," sagte sie, "aber wenn ich denke, wie du bist" - ihr
Gesicht hellte sich auf - "anders als die andern, so frei und klar und
wahr, ich möchte fast Hoffnung fassen."
Das Resultat dieses Abends war die Verabredung, dass Leonard am andern Tage bei
dem alten Bolten, der, nichts ahnend, dies ganze Komplott verschlief, sein Heil
versuchen sollte.
Die starke Abneigung des alten Herrn gegen die Musiker lässt sich
einigermaßen entschuldigen, wenn man eine gewisse Sorte von Virtuosen ins
Auge fasst, die die Treibhauswärme einer unverständigen Musikliebe
neuerdings in krankhafter Menge hervorgebracht hat. Wer diese blassen,
nervösen Einseitlinge mit ihrem ewigen Beifallshunger und der
monströsen Eitelkeit auf ihre Taschenspiele - und Jongleurkünste
kennen gelernt hat, der wird um so dankbarer die sehr wenigen glänzenden
Ausnahmen anerkennen, die es glücklicherweise noch gibt. Es ist ihm aber
nicht zu verdenken, wenn er alles, was die Firma Musiker führt, zuerst
vorsichtig von ferne betrachtet, um sich zu überzeugen, ob auch wirklich
ein Mensch dahinter steckt und kein bloßer Bogen- oder
Tastenbewegungsmechanismus. Herr Andresas Bolten musste aber noch tiefere
Gründe haben, denn seine Abneigung gegen diese Menschenklasse streifte an
Hass, und obgleich er der Kunst durchaus nicht abgeneigt war, so waren doch
für ihn ihre Vertreter mit einem Odium behaftet, wie es etwa im
Mittelalter wandernden Musikanten anhing. Er hegte die feste Meinung, dass der
ausschließlichen Beschäftigung mit der Musik ein demoralisierendes
Element innewohne, geeignet, den vorzüglichsten Charakter zu untergraben,
und wies man ihn hin auf manche glänzenden Beweise gegen seine Theorie,
die in der Stadt zu finden waren, so pflegte er die Achseln zu zucken und die
Ansicht zu äußern, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben solle.
Es gewährte ihm eine gewisse Befriedigung, dass Mozart so leichtlebig und
Beethoven so exzentrisch gewesen, denn es passte in seine Theorie, und von
Paganini glaubte er die schwärzesten aller schwarzen Gerüchte, die
über dieses Monstrum aller Virtuosen noch immer verbreitet sind. Richard
Wagner, sein Lieblingskomponist, war ihm ein unerschöpfliches Beispiel,
und natürlich glaubte er jede Entstellung und jedes alberne Märchen,
das diesem großen, aber rücksichtslosen und streitbaren Mann
angedichtet worden ist.
Leonard ahnte kaum die Stärke des Bollwerken, das er mit gutem Mute zu
stürmen ging, weil er einfach keine Vorstellung hatte, dass eine solche
Sinnesart möglich sei. Er war jung, heiter und glücklich in seinem
Beruf, die Welt lag vor ihm in dem Sonnenschein, den ein aufsteigender Ruhm
darüber hinbreitet, ein angenehmes kleines Vermögen machte ihn
unabhängig von dem leidigen Streben nach Brot, das zwar manche stärkt
und kräftigt, viele aber immer tiefer hinabzieht und den Überfluss
von Talenten vernichtet, den die Natur auch auf diesem Boden wie überall
aussät. Er war einer jener glücklichen Auserwählten, die dort
finden, wo so viele ihr Leben lang mühevoll und fruchtlos gesucht haben,
und am besten wird wohl seine glückliche Natur geschildert durch einige
Verse, die ihm ein scheidender Freund
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