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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 10
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deren mageres rotes Händchen die paar Geldstücke schüchtern auf
den Ladentisch legte, während die eingesunkenen Augen in dem
schmächtigen Gesicht nach der herrlichen Fruchtschüssel wanderten.
Als sich aber das Kind mit einem leisen Gute Nacht! gewendet und schon die
Tür wieder erreicht hatte, wurde es durch einen Ruf der Frau an der
Schwelle festgehalten. Es kam dann zögernd, wie wenn es seinen Ohren nicht
traute, an dem Ladentisch zurück, und jetzt griff die Gutherzige mit einem
wunderhübschen Lächeln die größte der drei Apfelsinen
heraus, dass der künstliche Berg ins Wanken kam, hielt sie dem erstaunten
Kinde hin und gleich mit der anderen Hand von den Feigen und Makrönchen,
so viel sie fassen konnte. Als das völlig versteinerte arme Ding erst
nicht zu begreifen schien, dass dies alles ihm gehören sollte, zog seine
Wohltäterin es dicht heran, suchte in dem Mäntelchen nach den
Taschen, die zum Glück nicht die schmalsten waren, und stopfte sie beide
mit sichtlichem Vergnügen voll, bis Nichts mehr hineinging. In das vor
Glück und Staunen offene Mäulchen schob sie dann noch eine
große glänzende Feige, nickte der über und über
erglühenden kleinen Armut zu und ging gleichmütig wieder zu ihrem
Sessel zurück, während das Kind so eilfertig sich davon machte, als
ob es die ganze unverhoffte Bescherung gestohlen hätte.
Der raue Krieger draußen, der keinen Blick von diesem artigen Auftritt
verwandt hatte, ließ ein Brummen tiefster Befriedigung vernehmen. Aber so
sehr ihn dieser neue Einblick in das gute Gemüt der Verführerin
erwärmt und erquickt hatte - jetzt konnte ihn Nichts mehr hier festhalten,
die Rosel wartete schon zu lange. Er nickte unwillkürlich durch das
Fenster einen Gruß, der an der Ahnungslosen freilich unbeachtet
vorbeiglitt, fasste sein Bäumchen wieder fest in die Faust und schritt
gesenkten Hauptes die einsame Straße hinunter.
Er war fest entschlossen, nun alle seine Gedanken einzig auf sein nächstes
Vorhaben zu richten. Aber was half es ihm, dass er immer größere
Schritte machte und die Augen nicht von dem Pfefferkuchenherz wandte! Neben ihm
trippelte ein allerliebster Spuk in einer Kapuze von rosa Zephyrwolle und loser
Jacke mit grauem Pelzbesatz, so leibhaftig und unentrinnbar - er getraute sich
nicht zur Seite zu schielen, er war überzeugt dann auch das hübsche
runde Gesicht zu sehen, am Ende gar sich anreden zu hören. So grimmig kalt
es war, trat ihm doch der Schweiß in großen Tropfen auf die Stirn,
die Zunge klebte ihm am Gaumen, er blickte ein paar Mal wie hilfeflehend zum
Himmel empor, wo der Mond in voller Pracht schimmerte und die Sterne daneben
funkelten und flimmerten. Da glaubte er von zwei hellen bläulichen
Pünktchen sich anlachen zu sehen, die genau einem gewissen Augenpaar
glichen, und drückte mit einem dumpfen Soldatenfluch die Augen fest zu, um
von der ganzen Hexenwirtschaft Nichts mehr zu gewahren. Das verschlimmerte aber
nur die Sache, denn nun stand sie erst recht vor seinem inneren Sinn, in
Lebensgröße, mit dem guten Lächeln um die Lippen und in den
hübschen Händen die Orange und die Süßigkeiten, die sie
der kleinen Kundin in die Taschen des Mäntelchens stopfte. Er
verwünschte seinen Leichtsinn, durch die Lilienstraße gegangen zu
sein. Nun bog er wieder links ab und war froh, von Neuem den scharfen Wind zu
spüren, der sein erhitztes Gesicht unsanft umschob, so dass ihm bald der
Bart von harten Eiszapfen starrte. Wer ihm das gesagt hätte, als er das
Bäumchen putzte, dass er es in so sündhaften Gedanken nach dem Ort
seiner Bestimmung tragen würde! Ihm war, als müsse jeder
Vorübergehende ihm ansehen, wie ihm zu Mute war, und ein
Hohngelächter aufschlagen. Seiner Rosel hatte er Appell beigebracht, und
nun waren seine eignen Herzschläge wie unbotmäßige Rekruten,
die auf das Kommando nicht hörten und von Subordination nichts wissen
wollten.
Endlich aber war die Vorstadt mit ihren langen, öden Gassen
durchschritten, und draußen über das totenstille Feld sah er schon
von Weitem die hohe, dunkle Mauer des Friedhofs ragen, nach der er hinstrebte
wie nach einem geweihten Bezirk, wohin kein Hexenspuk ihm folgen könne.
Als er das eiserne Gittertor erreicht hatte, durch dessen Stäbe er die
weißüberschneiten Gräber mit ihren Kreuzen und Denkmälern
in langen friedlichen Reihen sich hinstrecken sah, atmete er tief auf, stellte
das Bäumchen einen Augenblick auf den Boden
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