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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 5
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
sein, das sagen Sie Ihrer guten Freundin, und übrigens darum keine
Feindschaft, und für den Varinas und die schöne Pfeife bedank ich
mich vielmals, und jetzt muss ich fort. Er drehte sich nach dem Tisch um, da
sie ihm das Packet nicht abnahm, und legte die schöne silberglänzende
Liebesgabe so hastig auf eine Ecke, als ob sie ihm in den Fingern brennte. Dann
zog er seine schweren Fausthandschuhe an.
Die Frau aber schüttelte auf einmal alle Verlegenheit ab und trat dicht an
ihn heran.
Sie sind ein rechter alter Bär! sprudelte sie hastig heraus. Nun ja, man
braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen was die Frau Hanna im Sinn hat, aber
despektierlich ist es doch weiß Gott nicht, wenn ein anständiges
Frauenzimmer von 36 Jahren, die ihren Mann christlich begraben hat und keine
Kinder, ein bisschen herumguckt, wer ihr wohl beistehen möchte, ihre
Geschäfte zu versehen und ihr Gesellschaft zu leisten in ihrer
Alleinigkeit. Denn es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, und wenn ich
meinen Wilhelm nicht gehabt hätte, würde ich dem Postoffizianten und
dem chirurgischen Instrumentenmacher, die mich heiraten wollten, wohl auch
keinen Korb gegeben haben. Sie aber machen ein Gesicht, wie wenn man Ihnen
Baldrian statt Lagerbier eingeschenkt hätte. Nehmen Sie es mir nicht
übel, Herr Nachbar, `s ist sündhaft, wie Sie die gute Frau behandeln.
Erst kommen Sie in ihren Laden und kaufen bei ihr, und wenn Sie oft genug mit
ihr geschwatzt haben, dass sie hat merken können, Sie sind nicht
bloß ein frischer und strammer Mensch trotz Ihrer 45, sondern auch `ne
Seele von einem Menschen, und jede Frau wäre gut versorgt mit Ihnen, dann
tun Sie, als ob's ein himmelschreiendes Unrecht wäre, wenn eine ehrbare,
alleinstehende appetitliche Witwe Sie auf eine Gans einladen und Ihnen Socken
schenkt für Ihre von Paris erfrorenen Zehen. Können Sie leugnen, dass
Jeder in Ihren Verhältnissen heilfroh sein müsste, sich so in die
Wolle zu setzen und auf seine alten Tage, die ja nicht ausbleiben werden, solch
eine hübsche und adrette Pflegerin und Lebensgefährtin zu haben? Und
obendrein - wenn mein Wilhelm heiratet, will er, dass ich meine Praxis aufgebe
und zu ihm ziehe und bloß noch meinen Enkelkindern in die Welt helfe. Was
fangen Sie dann an, da Sie sich nicht mal `nen Knopf annähen können
und keine Menschenseele sich um Ihre alten zerrissenen Socken annimmt? Ist
Ihnen die Madame Hannchen etwa nicht hübsch und jung genug dazu?
Ich wäre ja blind, wenn ich das behaupten wollte, erwiderte er etwas
kleinlaut. Von dieser Madame Hinkel hätte mein Rittmeister gewiss nicht
gesagt: die Schönheit drückt sie nicht - wie von der Rosel. Und
Appell wollte ich ihr wohl auch noch beibringen. Aber wie gesagt, Webern: es
geht nicht. Ein Invalide bin ich nun einmal -
Um die lumpigen drei Finger! Sie spaßen, Nachbar. Fürs Militär
mögen sie damit nicht mehr taugen, und wenn sie sich eine Prinzeß an
die linke Hand antrauen lassen sollten, möchte's auch damit hapern. Aber
eine gut bürgerliche Wollen- und Strumpfwarenhändlerin - die sieht
nicht auf aparte Meriten, und wenn Sie nicht staarblind sind auf beiden Augen,
müssen Sie einsehen -
Frau Nachbarin, unterbrach er sie, Excüse, wenn ich Ihnen für Ihren
guten Willen schlecht danke, aber dass sie's übers Herz bringen
können, am heutigen Abend, da ich diesen Baum eben auf das Grab meiner
Rosel tragen will - ich sage nichts weiter, Webern, aber gerade Sie, die sie
gekannt hat - Sie sagen selbst, nicht die Zehnte beträgt sich in ihrer
schweren Stunde so tapfer - und jetzt kommen Sie mir mit Socken von einer neu
erfundenen Wolle und einer Weihnachtsgans wie - nichts für ungut - der
leibhaftige Versucher, der unserm Heiland die Herrlichkeiten der Welt vom Berge
herunter zeigte? - Dies, meine geschätzte Freundin, hätte ich bei
Ihrer Delikatesse nicht von Ihnen erwartet, und wenn ich nicht wüsste, wie
gut Sie's mit mir meinen - Also leben Sie wohl für heute, und morgen sind
wir wieder die Alten. Gute Nacht, Weberken!
Er griff mit der rechten Hand nach dem Tannenbäumchen, setzte sich mit der
unbehilflichen Linken die Mütze schief auf und schritt, der verdutzten
Frau gutmütig zunickend, aus der Türe.
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